Vor 25 Jahren erschien der legendäre Fetisch-Soundtrack „La Salle Blanche“ von Carlos Perón
Thomas Claer
Die Musik von Carlos Perón, dem heute 67-jährigen Klang-Magier aus der Schweiz, war immer irgendwo zwischen Pop und Avantgarde angesiedelt, im Zweifel aber doch eher Avantgarde als Pop. Angefangen hatte er in den späten Siebzigern als Gründungsmitglied von YELLO (und deren Vorläuferformation Tranceonic), die er aber bereits 1983 wieder verließ, um sich fortan nur noch seinen vielfältigen ambitionierten Solo-Projekten zu widmen. Diese reichten von atonalen elektronischen Spielereien („Impersonator“) bis zu atmosphärisch dichten Literaturvertonungen („Ritter und Unholde“) und nahmen dann im Jahr 1994 mit dem heute als Klassiker seines Genres geltenden Fetisch-Soundtrack „La Salle Blanche“ eine abermals überraschende Wendung.
Wirklich überraschend war dies aber nur für nicht Eingeweihte, denn schon zu jener Zeit wurde gemunkelt, dass sich die frühen Perón-Platten wie „Impersonator I“ und auch „Nothing is True, Everything is Permitted“ in der Fetisch- und Darkwave-Szene großer Beliebtheit erfreuten und insbesondere wohl auch gerne auf entsprechenden Partys gespielt wurden. Mit „La Salle Blanche“, das ursprünglich als Soundtrack zum Fetisch-Film „The White Room“ konzipiert war, brachen dann gewissermaßen alle Dämme. Der CD war ein Bestell-Coupon für Handschellen, Peitschen und die einschlägige Lack- und Lederkluft beigelegt. Angeblich wurde Carlos Perón sogar zugetragen, dass Fans zur Musik von „La Salle Blanche“ ihre Kinder gezeugt hätten…
So folgten Peróns Fetisch-Erstling ob seiner begeisterten Rezeption beim Publikum noch eine Reihe von ähnlich angelegten Nachfolgewerken in den Neunziger- und Nullerjahren, die sich als munteres Farbenspiel präsentierten und inhaltlich bevorzugt auf die Werke des Marquis de Sade bezogen: La Comtesse Rouge, La Salle Violette, La Salle Noire, Terminatrix, Der Luzidus. Den Schluss- und zugleich Höhepunkt bildete dann die opulente 11-CD-Box „11 Deadly Sins: Music for Fetish Erotic Sessions“ aus dem Jahr 2011 (siehe Cover-Abbildung), die alle genannten Werke seit 1994 sowie noch weitere bis dahin unveröffentlichte Kompositionen derselben – man verzeihe mir diesen platten Kalauer – Stoßrichtung enthielt. Außerdem ist dieser (noch heute in kleiner Restauflage erhältlichen) Pracht-Box ein exklusives Erotik-Spielzeug für die geneigte Dame beigelegt, über dessen Praktikabilität der Rezensent allerdings keine Auskunft zu geben vermag. (Wäre ja dann doch etwas zu peinlich, es von der eigenen Ehefrau testen zu lassen…) Im übrigen, das muss man ausdrücklich betonen, eignet sich diese Musik auch ohne weiteres für Hörerinnen und Hörer, die zumindest dieser Spielart des Fetischismus – Sado/Maso, Fesselspiele, Peitschen, Lack und Leder – nicht viel abgewinnen können. Zum Beispiel zur stimmungsvollen Untermalung eines ausgedehnten Frühsports…