Vermüllte Straßen und Wege

Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen 

Liebes Tagebuch,

wenn man schon seit 20 Jahren in Berlin lebt, hat man sich an eine Menge gewöhnt, und diese Stadt hat ja auch wirklich unendlich viele schöne und aufregende Seiten. Woran ich mich aber wohl nie gewöhnen werde, ist der viele Müll, der in den Straßen liegt. Zwischendurch war es auch schon mal besser, aber in den letzten Jahren ist es leider immer schlimmer geworden. Dass die Berliner Stadtreinigung da nicht mehr hinterherkommt und im Dezember gar nicht mehr saubermacht, da nach Silvester ohnehin wieder alles massiv verdreckt sein wird, ist verständlich. Das eigentliche Problem ist ja auch nicht die immer am Anschlag arbeitende Stadtreinigung, sondern sind die asozialen Leute, die fortwährend den Dreck verursachen.

Im vergangenen Sommer waren wir mit dem 9-Euro-Ticket in vielen Regionen und Städten hierzulande unterwegs. Es waren ganz verschiedene Orte, aber nirgendwo lagen größere Mengen Müll auf den Straßen und Wegen. Das ist also wirklich ein Alleinstellungsmerkmal von Berlin. Ich bin ja auch ein regelrechter Immobilienfetischist und kann mich unheimlich für schöne alte Hauser mit ihren prächtigen Fassaden begeistern. Und daher tut es mir dann immer besonders weh, wenn dieser schöne Anblick durch Müllberge konterkariert wird.

In unserer ruhigen und beschaulichen Wohngegend im nördlichen Charlottenburg am Schlosspark ist es mittlerweile so schlimm geworden, dass sich eine Kiez-Müllsammelgruppe gebildet hat, die einmal im Monat zwei Stunden lang mit Müllzangen und -säcken durch die Gegend zieht. Da war ich von Anfang an mit dabei. Aber es ist wirklich nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Es sind ja auch immer nur höchstens zehn Leute, die zusammenkommen… Da ich jetzt meistens deutlich mehr Zeit als früher habe, sammle ich außerdem alle paar Tage den Müll in den vier Straßen rund um unserer Haus auf. Ich tue das natürlich nachts nach Art der Heinzelmännchen, damit mich niemand dabei sieht und ich niemanden dadurch provoziere, sonst würde ich womöglich noch was auf die Fresse kriegen. Mein Eindruck ist nämlich, dass bestimmte Leute extra ihren Müll aus dem Fenster schmeißen oder auf den Gehweg kippen, um gegen die Gentrifizierung zu protestieren oder gegen was auch immer. Sie fühlen sich, glaube ich, nur wohl, wenn es um sie herum so richtig dreckig ist. Spätestens zwei oder drei Tage nach meiner Sammelaktion sieht es wieder so aus wie vorher. Meistens sind es Kaffeebecher, Plastikflaschen. Zigarettenpackungen und Kippen, Chipstüten, Joghurtbecher, Wurst- und Käseverpackungen, Imbisstüten, oft noch mit angebissenen Inhalten, riesige Pizzakartons… Alles landet auf den Gehwegen, auf den Baumscheiben, im Gebüsch oder am Straßenrand.

Ja, am Straßenrand, wo die Autos parken, ist es meistens besonders vermüllt. Offenbar leeren viele Autofahrer beim Aussteigen immer gleich ihren Mülleimer aus und oftmals auch ihre Aschenbecher, denn mitunter sieht man auch bergeweise Zigarettenkippen dort liegen. Dabei weiß doch nun wirklich jedes Kind, dass schon eine einzige weggeworfene Zigarettenkippe hundert Liter Trinkwasser verseucht, wenn es regnet… Ich frage mich wirklich, was das für Menschen sind, die so etwas machen. Wenn sie sich selber vergiften wollen, dann sollen sie das gerne tun, aber doch bitte nicht alle anderen… Vermutlich sind die Autofahrer ja auch besonders faule Menschen, sonst würden sie ja nicht Auto fahren, sondern zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen fahren, zumindest in der Stadt. Der Musik- und Literaturkritiker Joachim Kaiser hat immer gesagt: “Wer in der Stadt Auto fährt, der muss verrückt sein.” Finde ich eigentlich auch, aber das führt jetzt weg vom eigentlichen Thema…

Das mit dem Müll in den Straßen relativiert sich jedenfalls, wenn man mal in andere Berliner Stadtteile geht. Neulich waren wir im südlichen Reinickendorf am Schäfersee, hübsche und idyllische Gegend. War früher viel sauberer als etwas südlicher im Wedding. Aber jetzt ist es dort dermaßen vermüllt! Noch deutlich schlimmer als bei uns. Sogar in den Edel-Gegenden in Wilmersdorf und am Lietzensee liegt eine Menge Müll auf den Wegen, aber immerhin etwas weniger als bei uns. Aber dann waren wir gestern in Neukölln, südlich vom Hermannplatz. Seit einigen Jahren voll die Hipster-Gegend mit schicken und trendigen Cafés. Aber auf den Gehwegen und Baumscheiben stapelt sich regelrecht der Sperrmüll, und dazwischen der normale Verpackungsmüll, und dann noch überall Imbiss-Essensreste. Einfach widerlich! Wie halten die Leute, die dort wohnen, das bloß aus?

Na gut, es ist sicherlich ein Luxusproblem, sich so über den Müll aufzuregen. In Stockholm oder Brüssel ist die Gewalt der Jugendbanden weitaus schlimmer als in Berlin. Wenn einem das mit dem Dreck nicht passt, dann muss man wohl woanders hinziehen oder sich daran gewöhnen. Und schließlich beneiden einen doch Unzählige darum, im Zentrum von Berlin zu wohnen. Es ist wohl so, wie schon mein Deutschlehrer früher immer gesagt hat: Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten.

Dein Johannes

Veröffentlicht von on Jan 2nd, 2023 und gespeichert unter JOHANNES, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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