Seelenverkäufer

R.E.M. auf ihrem neuen Album Collapse into Now

Thomas Claer

scheiben-tc-rem-collapsEin neues Album von R.E.M.? Na und? Wen interessiert das denn? Mit denen ist man doch schon seit Ewigkeiten fertig, denkt man. Spätestens seit 1996, seit ihrem Fünfplattenvertrag mit Warner, der ihnen die damals allgemein als obszön empfundene Summe von 80 Millionen US-Dollar einbrachte, hatten die einstigen Galionsfiguren des amerikanischen Alternative-Rock ganz einfach jede Credibility verloren. Aber es gibt sie noch. Und in Zeiten, wo junge blasse Nerds für zusammengeschusterte Internetseiten Milliarden einsacken, sieht man vielleicht manches in milderem Licht. Außerdem wurde die neue Platte teilweise in Berlin aufgenommen und soll sogar, so wurde im Vorfeld gemunkelt, stilistisch an Element of Crime erinnern. O.K., das zieht natürlich beim Justament-Rezensenten. Also mal reingehört in „Collapse into Now“, zuvor aber noch einmal die Erinnerungen ans Frühwerk der Band aufgefrischt. Die sorgsam verwahrten alten Scheiben bleiben im Plattenschrank, alle Song-Perlen von einst warten ja nur wenige Klicks entfernt auf YouTube. Oh, da wird einem aber ganz sonderbar. Klar, diese Songs sind schon recht pathetisch. Man hört es jetzt mit ein paar Jahren Abstand naturgemäß deutlicher heraus als damals. Und doch ist es vollkommen unmöglich, Liedern wie „Maps and Legends“, „Fall on me“, ja selbst dem Welthit „Losing My Religion“ (mit dem 1992 der große Ausverkauf begann) ohne ein Gefühl der Ergriffenheit zu lauschen. Was für eine großartige Musik! Und nun also das neue Album, das 15. Studioalbum der Band soll es schon sein. Da muss man aber inzwischen so einiges verpasst haben. Soviel ist sicher: Nach Element Of Crime klingen sie nun wirklich nicht, dafür aber nach all den Jahren immer noch sehr nach R.E.M. Mal kraftvoll und rockig, mal elegisch. Nur gibt es, mit jedem Hören wird es deutlicher, doch recht häufig überaus glatte, fast schon banale Passagen. Nicht, dass diese Musik einem gänzlich unangenehm wäre, aber alles ist eben nicht besonders aufregend. Auch das ambitionierteste Stück „ÜBerlin“ ragt nur unwesentlich heraus. Der Eindruck verdichtet sich, dass R.E.M. ihren großen alten Songs nichts von Belang mehr hinzuzufügen haben. Vielleicht ist das ja der Preis der Kommerzialisierung! Wäre Bandleader Michael Stipe (inzwischen 51) damals seinem Freund und Kollegen Kurt Cobain ins Nirvana gefolgt, wären R.E.M. unsterbliche Helden geblieben. Das Urteil lautet: befriedigend (8 Punkte).

R.E.M. – Collapse into Now
Collapse into Now
Warner Brothers 2011
Ca. € 17,-
ASIN: B004KB4RL8

Veröffentlicht von on Mai 23rd, 2011 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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