Bericht vom „Women’s Law Forum“ 2011 in Passau und Münster
Iris Meinking
Weltmännertag? Von wegen. Der 3. November steht seit letztem Jahr bei Baker & McKenzie ganz im Zeichen der Frauen. Vor einem Jahr, am 3. November 2010, war Auftakt des „Women’s Law Forum“ in Münster, den die internationale Anwalts-kanzlei gemeinsam mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster ins Leben gerufen hat. In der Zwischenzeit ist viel passiert: An den Universitäten Münster und Passau sowie an der Bucerius Law School in Hamburg fanden weitere Forumsveranstaltungen zu unterschiedlichen juristischen Berufsbildern statt. Sämtliche Veranstaltungen verfolgen ein gemeinsames Ziel: speziell Nachwuchsjuristinnen einen Impuls für ihre Karriere zu geben und sie ihrem Traumberuf ein Stück näher zu bringen. Auch im nächsten Jahr werden erfolgreiche Juristinnen Einblicke in ihren Berufsalltag geben und über Erfolgsfaktoren und Herausforderungen sprechen. Die nächste Veranstaltung zum Berufsbild „Juristin in der Verwaltung“ findet am 2. Februar 2012 an der Universität Münster statt.
Veranstaltungen an den Universitäten Passau und Münster
Gleich zweimal lud Baker & McKenzie Nachwuchsjuristinnen im November 2011 ein: Die erste der beiden Veranstaltungen fand am 2. November in Passau statt, die zweite am 3. November in Münster. Am 2. November drehte sich in der Universität Passau alles rund ums Berufsbild „Partnerin einer Kanzlei“. Anna Viola Glöckner, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stellvertreterin der Frauen-beauftragten der Juristischen Fakultät der Universität Passau, begrüßte die rund 50 Nachwuchsjuristinnen und führte sie durch den Abend. Dr. Barbara Schneider, erfahrene Managerin, Coach und Buchautorin, gab in ihrem Impulsvortrag zum Thema „Fleißige Frauen arbeiten, schlaue steigen auf“ ihren Zuhörerinnen Karrieretipps. „Seien Sie mutig und seien Sie bereit dazu, auch einmal neue Wege einzuschlagen“, empfahl sie den weiblichen Nachwuchskräften und ermutigte sie, sich auch in männerdominierten Arbeitsumfeldern durchzusetzen und die eigene Meinung zu vertreten. Ihr Motto: sich trauen – sich zeigen – sich vernetzen.
Familie und Beruf miteinander vereinen
Im Anschluss erwartete die Teilnehmerinnen eine spannende Diskussionsrunde, in der Baker & McKenzie-Partnerin Katharina Spenner, LL.M. und Dr. Sabine C. Klett, LL.M., Partnerin bei Noerr, den interessierten Gästen Rede und Antwort standen. Eine Frage lautete: Wie ist es möglich, Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen? Beide Partnerinnen zeigten, dass sie diesen Spagat gemeistert haben – nicht zuletzt, weil die Kanzleien sie in ihrem Vorhaben unterstützten. Sowohl die Trade & Commerce-Partnerin Katharina Spenner als auch die Corporate-Partnerin Dr. Sabine Klett sind Mutter eines Sohnes im Kindergartenalter. Beide sind nach kurzer Zeit – Frau Spenner nach acht Monaten, Dr. Sabine Klett nach einem Jahr – wieder ins Büro zurückgekehrt und arbeiten seitdem in Teilzeit. Beide waren sich einig, dass es aus Karriereaspekten keinen optimalen Zeitpunkt gibt, eine Familie zu gründen. „Dafür gibt es kein Patentrezept, sondern das müssen Sie für sich individuell entscheiden“, machte Dr. Sabine Klett den Zuhörerinnen klar.
Blick über den Tellerrand
Aktivitäten jenseits der Juristerei, der Schritt ins Ausland, Konsequenz und Durchhaltevermögen – das sind die Qualifikationen, die als Karrieremotor dienen können, beantwortete Katharina Spenner die Frage, was sie in ihrer Karriere richtig gemacht habe. Die Baker-Partnerin berichtete über ihr freiwilliges soziales Jahr, das ihr den Blick für das Wesentliche im Leben eröffnet hat. Ihre Auslandserfahrungen – zweisemestriges Studium in Grenoble/Frankreich, LL.M. Studium in San Francisco – bereiteten sie auf die Anforderungen der internationalen Großkanzlei vor und gaben ihr Gelegenheit, in andere Kulturen einzutauchen und ihre Fremdsprachenkenntnisse auszubauen. „Was Sie sich in den Kopf gesetzt haben, sollten Sie konsequent verfolgen“, riet sie den Zuhörerinnen. Auch Dr. Sabine Kletts Karriereweg ist von diversen Auslandsstationen geprägt. In New York machte sie an der Columbia University ihren LL.M. Sie wies darauf hin, dass sie in Deutschland kein Referendariat gemacht hatte, sondern nach ihrem LL.M. Studium zunächst als in New York zugelassene Attorney-at-Law in den Staaten tätig war. 2003 kehrte sie nach Deutschland zurück, nachdem sie sich zwischenzeitlich zum englischen Solicitor qualifiziert hatte und dann auch als Rechtsanwältin in Deutschland zugelassen wurde. „Es muss also nicht immer der konventionelle Weg sein“, verdeutlichte die Noerr-Partnerin.
Die eigene Leistung zählt
Beide Partnerinnen haben während ihrer bisherigen Laufbahn in der Kanzlei keinen Konkurrenzkampf unter Kollegen und Kolleginnen gespürt. „Man wird als Anwalt für die eigene Leistung bewertet, da ist für eine Ellenbogenmentalität kein Platz“, so Katharina Spenner. Ein kollegialer Umgang, eine Atmosphäre, in der die eigene Arbeit Spaß macht, anspruchsvolle Fälle in einem internationalen Umfeld und ein flexibles Teilzeitmodell – das haben beide in „ihren“ Kanzleien vorgefunden. Beide betonten am Ende der Diskussion, dass sie ihren Beruf als Traumberuf empfinden, den sie mit keinem anderen tauschen möchten.
Berufsbild „Juristin in der Justiz“
Als Traumberuf bezeichneten zwei weitere erfolgreiche Juristinnen ihre Arbeit in der Justiz: Am 3. November 2011 präsentierten Marion Harsdorf-Gebhardt, Richterin am Bundesgerichtshof (BGH), und Dr. Monika Anders, Präsidentin des Landgerichts (LG) Essen, rund 80 interessierten Nachwuchsjuristinnen im Kettelerschen Hof in Münster ihre persönlichen Erfolgsrezepte. Prof. Dr. Petra Pohlmann, Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Zivilverfahrensrecht am Institut für Internationales Wirtschafts-recht der Universität Münster, begrüßte gemeinsam mit Baker & McKenzie-Partnerin Dr. Barbara Deilmann die Referentinnen und die überwiegend weiblichen Gäste in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal.
Meilensteine in der Geschichte
„Justitia, die personifizierte Gerechtigkeit, ist weiblich, doch in der deutschen Geschichte spielten Frauen in der Justiz lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle“, erläuterte Prof. Petra Pohlmann und gab anschließend das Wort an BGH-Richterin Marion Harsdorf-Gebhardt, die Meilensteine in der Justizlaufbahn von Juristinnen in Deutschland aufzeigte. So wurden beispielsweise 1921 im Rahmen des Deutschen Richtertags Frauen im Richteramt abgelehnt – wegen „ihrer seelischen Eigenart“. Bereits ein Jahr später wurden Frauen zu Ämtern und Berufen der Rechtspflege zugelassen. Im Dritten Reich erlebten Frauen in der Justiz allerdings einen herben Rückschlag: Nach der Männlichkeitsidee der NSDAP war „Recht die Sache des Mannes“, Frauen wurden aus den Gerichtssälen verdrängt, wie die Richterin ihren interessierten Zuhörerinnen gegenüber erläuterte. Nach 1945 durften Frauen wieder im Justizdienst und in anderen juristischen Berufen tätig sein. „Wichtige Jahre in der Laufbahn fehlten den Frauen allerdings“, räumte Marion Harsdorf-Gebhardt ein. Das Grundgesetz von 1949 beseitigte wesentliche Einstellungshindernisse, doch erst 20 Jahre später, im Jahr 1969, war es Richterinnen mit Kindern erlaubt, ihre Arbeitszeit auf die Hälfte zu reduzieren.
Frauen in Führungspositionen in der Justiz unterrepräsentiert
„Bis heute sind in der Justiz Frauen in Führungspositionen selten, ein Großteil ist in Eingangsämtern tätig“, so die BGH-Richterin, die 1993 ihre Karriere in der Justiz begann und seit 2007 ihr heutiges Amt bekleidet. „Frauen arbeiten in der Justiz nicht so häufig in der Verwaltung, da sich diese Tätigkeit teilweise schwer mit der Familiensituation vereinbaren lässt“, erläuterte Dr. Monika Anders. Die Bewährung in der richterlichen Selbstverwaltung sei aber Grundvoraussetzung für die Übernahme einer Führungsaufgabe. Allerdings komme wieder Bewegung in das Thema „Frauen in Führungspositionen“ – Stichwort Frauenquote. Die Präsidentin des Landgerichts Essen stellte den Nachwuchsjuristinnen aktuelle Maßnahmen der Frauenförderung in der nordrhein-westfälischen Justiz vor – von der Gleichstellungs-beauftragten, Mitarbeitergesprächen bis hin zur verstärkten Beteiligung von Frauen im Ausbildungs- und Prüfungswesen. „Bringen Sie immer wieder in Gesprächen mit Ihren Vorgesetzten Ihre eigene Karriereplanung und Ihre eigenen Ziele zur Sprache“, riet die erfolgreiche Juristin den Nachwuchskräften.
Psyche der Frau im Richteramt gefragt
Wer sich als Volljuristin im Richterdienst bewerben möchte, hat laut Dr. Monika Anders in Nordrhein-Westfalen gute Karten: „Hier schlägt das Pendel inzwischen zu Gunsten der Frauen aus, über 60 Prozent der neu eingestellten Juristen in der Justiz sind weiblich.“ Als Eingangshürde nannte sie die fachliche Qualifikation – Prädikatsexamen in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung oder mehr als 7,75 Punkte, wenn es erkennbar ist, dass man sich unter Wert geschlagen hat. Dabei sei neben anderen die Note in der Ersten Juristischen Staatsprüfung besonders bedeutend. Entscheidend sei ferner das Ergebnis des eintägigen Vorstellungs-gesprächs. „Hier kommt es nicht mehr auf die fachliche Qualifikation an, die man durch die Staatsexamina unter Beweis gestellt hat, sondern auf soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein“, betonte die Präsidentin des LG Essen. Anders als in den 1920er und 30er Jahren könne heute die „Psyche der Frau“ sogar von Vorteil sein.
Promotion für Justizlaufbahn kein Muss
In der offenen Diskussionsrunde nutzten die Teilnehmerinnen die Gelegenheit, die beiden Richterinnen nach ihren eigenen Erfolgsrezepten und Karrieretipps zu befragen. „Eine Promotion ist für die Richterlaufbahn meines Erachtens nicht erforderlich“, sagte Dr. Monika Anders, die selbst nach dem ersten Staatsexamen promovierte. Den Zeitpunkt habe sie allerdings rückblickend gut gewählt. „Nach dem zweiten Staatsexamen empfiehlt es sich, voll in den Beruf einzusteigen und die Karriere voranzutreiben“, so die Präsidentin des LG Essen. Beide Juristinnen betonten, dass die englische Sprache in ihrer Arbeit zunehmend eine Rolle spielen könnte. „Wer auf Englisch verhandeln kann, wird in Zukunft zum Beispiel unter Umständen die Möglichkeit haben, in spannende Fälle mit Auslandsbezug involviert zu werden“, so Dr. Monika Anders. Dies gelte vor allem für Mediationsverfahren. „Es ist sinnvoll, dass man die in Englisch verfassten Vertragsunterlagen, die sich in den Gerichtsakten befinden, verstehen kann, auch wenn Übersetzungen dazu gereicht werden“, berichtete Marion Harsdorf-Gebhardt aus ihrem Berufsalltag. Verhandelt werde allerdings in deutscher Sprache.
Richterinnen profitieren von flexiblen Arbeitszeiten
Einen großen Vorteil ihrer Arbeit sehen beide Richterinnen in der weitgehend freien Zeiteinteilung. „Viele Akten bearbeite ich von zuhause, mitunter in den Abendstunden oder am Wochenende“, sagte Marion Harsdorf-Gebhardt und wies ihre Zuhörerinnen darauf hin, dass die Arbeit im Homeoffice auch eine gehörige Portion Selbstdisziplin erfordere. Sowohl die BGH-Richterin als auch die Präsidentin
des Landgerichts betrachten ihren Beruf der Richterin als „den schönsten der Welt“. Sachliche Unabhängigkeit, Mitwirken an Grundsatzentscheidungen, flexible Arbeitszeiten und ein insgesamt spannendes und vielseitiges Arbeitsumfeld – diese Vorzüge ihres Berufs möchten sie niemals missen.