Die Wahlstation bei bnt attorneys-at-law in Tallinn, Estland
Katja Zabaschus
Tallinn, die Hauptstadt Estlands, wurde Mitte des 11. Jahrhunderts als Burg und Handelsplatz gegründet und hat heute nunmehr rund 416.000 Einwohner. Estland selbst mit seinen 1,34 Millionen Einwohnern ist seit 2004 Mitglied der EU und hat im Jahr 2011 den Euro als Währung eingeführt. Ganz abgesehen jedoch von spröden Zahlen und Fakten ist Estland ein faszinierendes Land, das ein ausgezeichnetes Ziel für jeden ist, der sich über den deutschen Tellerrand hinaus für europäisches Miteinanderleben begeistern kann. Die baltischen Staaten stellen dabei eine Herausforderung für jegliche eingefahrenen Vorstellungen dar, die man über diese Region Europas haben kann. Aufgrund ähnlicher allgemeiner Überlegungen entschied ich mich, von August bis Oktober 2012 die Referendariatsstation im Wahlfachbereich Arbeitsrecht bei der Kanzlei bnt Bergmann Klauberg Krauklis in Tallinn zu verbringen. Meine Erwartungen wurden noch weit übertroffen.
bnt attorneys-at-law Tallinn
Über die Kanzlei ist zunächst zu berichten, dass bnt attorneys-at-law eine internationale Kanzlei mit eigenen Büros in 11 Ländern in Mittel- und Osteuropa ist, wobei das Büro in Tallinn eines der kleineren ist. Die Spezialität von bnt attorneys-at-law ist dabei, dass aufgrund der Vertretungen in aktuell 11 Staaten eine umfassende länderübergreifende Rechtsberatung der Mandanten möglich ist. Die Kanzleien von bnt attorneys-at-law sind spezialisiert auf die Beratung im Wirtschaftsrecht und Steuerrecht, wobei die Mandanten in der Mehrheit ortsansässige und internationale Unternehmen sind. In Tallinn ist man in der Hauptsache befasst mit allgemeinem Zivilrecht, Insolvenzrecht und Handelsrecht. Besondere Expertise hat bnt attorneys-at-law für deutsche Privatleute und Unternehmen, die am mittel- und osteuropäischen Markt tätig sind, zu bieten, da an jedem Standort auch deutschsprachige Rechtsanwälte tätig sind. So war ich regelrecht erstaunt, mit allen in der Kanzlei deutsch reden zu können, da ich mich doch schon auf Englisch als Umgangssprache eingestellt hatte. In der Kanzlei in Tallinn gibt es momentan drei Partner sowie drei Rechtsanwälte. Regelmäßig sind Referendare aus Deutschland, aber auch inländische Praktikanten zu Gast, so wie die estnische Praktikantin, mit der ich mir das Büro teilte.
Ich wurde gleich zu Beginn mit Schreibtisch, PC und Mailadresse versehen und war schnell eingebunden in den Alltag einer internationalen Kanzlei. Meine Tätigkeit umfasste die Erstellung von Gutachten und den Entwurf von Schriftsätzen mit Bezügen zum deutschen und internationalen Recht. Auch durfte ich die Anwälte zu Gerichtsverhandlungen begleiten. Das estnische Recht, das ich im Lauf der Station näher kennengelernt habe, entspricht in weiten Teilen dem deutschen, beispielsweise kennt es auch das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Die (rechts-)sprachliche Korrektur von Gutachten, Schriftsätzen und juristischen Publikationen spielte ebenfalls eine große Rolle. Für meinen Wahlfachbereich Arbeitsrecht war es von Vorteil, dass gerade Publikationen zum Arbeitsrecht in den drei baltischen Staaten bearbeitet wurden. So wurde mein Interessenbereich optimal abgedeckt, indem ich beim Entwurf dieser Bücher mitwirkte.
Ein besonderes Highlight war für mich der Kanzleiausflug mit Segeltörn, ein Ereignis, über das schon andere Referendare bei bnt vor mir berichtet haben. In beruflicher Hinsicht war der Höhepunkt allerdings zweifelsfrei das allgemeine Treffen von bnt attorneys-at-law im Rahmen einer Konferenz, die dieses Jahr in Tallinn stattfand und von uns organisiert wurde. In angenehmer Atmosphäre kamen Anwälte, Buchhalter und Steuerberater aus allen Niederlassungen zusammen. So ließen sich in den einzelnen practice groups (zum Beispiel zu Insolvenzrecht oder Arbeitsrecht) im Rahmen von workshops ausgezeichnet Kontakte über den ganzen mittel- und osteuropäischen Raum hinweg knüpfen. Auch das Rahmenprogramm mit Stadtführungen und einem festlichen Dinner in der Altstadt hat Gäste und Organisatoren gleichermaßen begeistert. Ehemalige Referendare sind zu den jährlichen Kanzleitreffen, die jedes Jahr an einem anderen Standort stattfinden, übrigens herzlich eingeladen.
Über die Stadt und das Leben
Untergebracht war ich in einer Wohngemeinschaft in einem der traditionellen Holzhäuser, gemeinsam mit zwei estnischen Studenten. Die Stadt Tallinn bietet alles, was das Herz begehrt: Kultur, Kunst, und in meinem Fall auch meist schönes Wetter. Die Lage am Meer ermöglichte mir Ausflüge nach Helsinki und Stockholm. Helsinki ist mit der Fähre in knapp zwei Stunden zu erreichen, nach Stockholm fährt man über Nacht. Außerdem habe ich Touren durch das Land gemacht, die Sommerhauptstadt Pärnu und die Universitätsstadt Tartu besucht, habe die Natur im Lahemaa Nationalpark genossen, aber auch die reiche Vergangenheit Tallinns selbst bestaunt. Besondere Erwähnung finden sollen dabei das Kunstmuseum KUMU, das estnische Kunst durch die verschiedenen Zeiten darstellt, das Geschichtsmuseum, in dem man besonders aus deutscher Sicht über eine deutsche Vergangenheit in Nordost vieles erfährt, was so bislang noch nicht im Fokus war, sowie das Okkupationsmuseum, das beeindruckend darstellt, wie Estland im 20. Jahrhundert durch deutsche und sowjetische Besatzung hindurch und darüber hinweg zu dem modernen und weltoffenen Land wurde, das es heute ist. Per Expressbus sind übrigens sowohl die lettische als auch die litauische Hauptstadt schnell und erstaunlich angenehm erreichbar. In Riga habe ich ein Wochenende verbracht und habe mehr über die Unterschiede in den drei baltischen Staaten erfahren. In Vilnius war gerade auch eine Referendarin aus Deutschland zu Gast, die mich bereits in Tallinn besucht hatte, so dass sich dort ein netter Gegenbesuch ergab.
Fazit
Es war eine spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit in einem sehr freundlichen und angenehmen Team. Insgesamt habe ich es genossen, Erfahrungen in einer jungen und internationalen Kanzlei wie bnt attorneys-at-law zu sammeln. Ich empfehle das Baltikum, aber insbesondere Estland, das mir mittlerweile ans Herz gewachsen ist, für eine Station, die den Horizont erweitern kann.