Die österreichischen Senkrechtstarter mit ihrem neuen Album „Bussi“
Thomas Claer
Nicht mal ignorieren, das war mein erster Gedanke, als ich vor einem Jahr erstmals den Klängen von Wanda lauschte, jener rustikalen Mundart-Kapelle aus Österreich, die inzwischen allerorts als Rettung der deutschen Popmusik gefeiert wird. Von umjubelten Auftritten in Berlin mit kreischenden Mädchen war damals die Rede, doch was ich dann von ihnen hörte, riss mich keineswegs vom Stuhl. Es lässt sich, und das gilt heute noch genauso wie vor 12 Monaten, so unendlich viel einwenden gegen diese sonderbare Spaß-Combo: angefangen vom oft kaum verständlichen österreichischen Gesang über die sich vornehmlich um „Amore“ und Alkohol drehenden Texte (das am häufigsten besungene Getränk ist ausdrücklich der Schnaps, prolliger geht es nun wirklich nicht) bis hin zu den Auftritten des Sängers auf den Konzerten mit entblößtem Oberkörper. Wie peinlich ist das denn? Und musikalisch mischen sich hier biederer Rock und Schlager, was nun auch nicht unbedingt etwas großartig Neues ist.
Woher also kommt dieser Hype? Ich selbst ertappte mich irgendwann dabei, dass mir manche Wanda-Liedzeilen nicht mehr aus dem Kopf gingen. Einige ihrer Lieder, längst nicht alle, haben schon, das muss man zugeben, etwas Raffiniertes. (Doch das gilt z.B. auch für die Banalitäten von ABBA und muss für sich genommen nicht viel bedeuten.) Aber – und das ist entscheidend – Wanda verkörpern mit ihrer demonstrativen Scheiß-egal-Pose eine Haltung, der man am Ende doch Respekt zollen muss. So schmutzig wie der kettenrauchende Sänger Michael Marco Fitzthum kann niemand sonst über die großen und kleinen Dramen des Lebens singen: „Es ist wahrscheinlich etwas Wahres dran, wenn du sagst, dass man daran sterben kann“, heißt es im stärksten Song des neuen Albums „Meine beiden Schwestern“, den sie auch live im ZDF bei aspekte präsentierten.
Überhaupt sind die Texte hintergründiger, als man zunächst denkt. Und wenn sie unablässig die Amore besingen, dann zumeist deren vollkommenste Spielart, die nur vorgestellte. An Wanda kommt man derzeit einfach nicht vorbei. Nicht einmal das mit dem oberkörperfreien Singen darf man wohl so eng sehen, zumindest solange es den Mädchen noch gefällt… Wenn uns Miley Cyrus oder Lady Gaga ihre Brüste zeigen, finden es ja schließlich auch alle schön. Das Gesamturteil lautet: mit Bedenken noch voll befriedigend (10 Punkte).
Wanda
Bussi
Vertigo Berlin (Universal) 2015
ASIN: B012BTVOZ2
Wanda
Amore
Problembär Records (rough trade) 2014
ASIN: B00MVCX74Q