Die katholische Religionslehrerin Bernadette Faber aus der Eifel betreut einen in den USA einsitzenden Doppelmörder, dessen Schuld umstritten ist.
Benedikt Vallendar
Bitburg – Zehn Bücher in 32 Jahren, von denen das jüngste sogar den Preis einer katholischen Vereinigung in den USA erhalten hat. Das ist die Bilanz, auf die Bernadette Fabers Schützling zurückblickt. Eigentlich eine beeindruckende Bilanz, wären die Bücher nicht dort entstanden wo sie entstanden sind, im Hochsicherheitstrakt einer Strafanstalt im US-Bundesstaat Virginia. Der Autor, Jens Söring, geboren 1966 in Thailand als Sohn eines deutschen Diplomaten, sitzt seit Beginn der neunziger Jahre dort ein; zunächst war er vier Jahre in London inhaftiert, bevor ihn die britischen Behörden in die USA überstellten, wo er angeklagt und am 21. Juni 1990 zu lebenslanger Haft wegen Doppelmordes an einem Industriellenehepaar verurteilt wurde; eine Tat, die er zunächst gestanden hatte und später widerrief, was ihn jedoch nicht vor der Verurteilung bewahrte. Söring hatte seine angebliche Mittäterin, eine junge Frau aus gutem Hause, auf dem Campus seiner Uni kennen und lieben gelernt. Später bezichtigte sie ihn, ihre Eltern ermordet zu haben. Söring behauptet bis heute, das Geständnis nur abgelegt zu haben, um seine damalige Freundin und angebliche Anstifterin vor der Todesstrafe zu bewahren. Er wähnte sich in der Annahme, dass ihn die diplomatische Immunität seines Vaters vor strafrechtlicher Verfolgung schützen würde, was jedoch nicht der Fall war, da dieses Privileg nur Botschaftsangehörige haben.
Fragile Anhaltspunkte
Eine Armada aus Anwälten, engagierten Bürgern und PR-Beratern bemüht sich seit Jahren um Sörings Freilassung. Bisher vergebens, obgleich neuere, kriminaltechnische Untersuchungen, laut Medienberichten, keinen Hinweis darauf ergaben, dass Söring am Tatort gewesen ist. Eine kürzlich beim Gouverneur von Virginia eingereichte Petition gilt als Sörings letzte Chance, freizukommen. Denn in den USA bedeutet lebenslänglich meist, dass der Gefangene tatsächlich bis ans Lebensende einsitzt. „Life means life“ ist jenseits des Atlantiks ein geflügeltes Wort, das die Zustimmung zahlreicher Bürger, – und Wähler findet. Die längste in einem US-Gefängnis je verbrachte Haftzeit liegt, laut Guinessbuch der Rekorde, bei 56 Jahren.
Hilfe aus der Heimat
An der Spitze des „Freundeskreises Jens Söring“ steht die Religionslehrerin Bernadette Faber aus Bitburg, nördlich von Trier. „Ich bin von Sörings Unschuld überzeugt“, hat sie wiederholt in Interviews gesagt und das, aus ihrer Sicht, „unmenschliche amerikanische Justizsystem“ angeprangert. Damit steht Faber nicht allein. Politiker verschiedener Couleur setzen sich seit Jahren für Söring ein, selbst bei einem Treffen zwischen Angela Merkel und dem früheren US-Präsidenten Barack Obama soll das Thema eine Rolle gespielt haben. Einer von Fabers engsten Beratern ist Bernd Kaut, katholischer Priester und früherer Leiter des Missionswerkes missio in Aachen, der Jens Söring an den Glauben herangeführt hat, ihm Trost spendet und sich hinter den Kulissen für ihn einsetzt.
Schlechtes Essen
Auch in den USA keimen im Fall Söring Zweifel. Pensionierte Ermittler, Bürgerrechtler und Juristen, darunter eine frühere Generalstaatsanwältin und Jura-Dozentin halten das Urteil gegen Söring für fraglich, da es auf Indizien beruht und bis heute keine Beweise gegen ihn vorliegen. Der auch in den USA gültige Rechtsgrundsatz in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten, schien im Fall Söring keine Rolle gespielt zu haben, sagen Kritiker. Deren Gegner hingegen haben immer wieder auf Sörings Geständnis hingewiesen und die emotionale Abhängigkeit von seiner damaligen Lebensgefährtin, die später wegen Anstiftung zum Mord zu 90 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und bis heute einsitzt.
Neben ihrem Job an einer Realschule nimmt das Engagement Bernadette Fabers für den Häftling mit der Nummer 179212 mittlerweile das Pensum einer weiteren Vollzeitstelle ein, sagt sie. Bei ihr zuhause in der Eifel stapeln sich Briefe und Pakete. Hinzu kommen Reisen, Telefonate und Gespräche mit Medienvertretern. „Ich beantworte Briefe, schreibe E-Mails und pflege unsere Internetseite jenssoering.de“, sagt die 37-Jährige. In den vergangenen sechs Jahren hat die studierte Pädagogin Söring fünf Mal im Gefängnis besucht, sagt sie. „Mitbringen durften wir ihm nichts, kein Buch, keine Zeitung und nicht mal Schokolade, Kaffee oder Kekse“. Aus Angst vor Drogen, die in die Anstalt geschmuggelt werden könnten, werden Besucher stattdessen auf einen im Vorraum der Anstalt stehenden Automaten verwiesen, wo man per Kreditkarte Süßes und Herzhaftes für die Insassen erstehen kann.
Söring teilt sich seine zwölf Quadrat Meter messende Zelle mit einem weiteren Insassen. Er habe sich einen disziplinierten Tagesablauf auferlegt, um nicht verrückt zu werden, sagt er. „Ich stehe morgens gegen vier Uhr auf, meditiere und gehe anschließend in den Aufenthaltsraum, um meine E-Mails abzurufen“, sagt er. Gegen sieben Uhr gibt es für die Insassen Frühstück, labbrigen Kaffee mit oft angeschimmeltem Brot und einem Aufstrich, der die Bezeichnung „Marmelade“ eigentlich nicht verdient. „Schlimmer noch ist das Mittagessen“, sagt Bernadette Faber. Nach Sörings Schilderungen besteht es aus gestrecktem Maisbrei und zusammengekochten Fleischabfällen, die mit Geschmacksverstärkern genießbar gemacht werden. Vitamine bekommen die Gefangenen meist nur in Form von Brausetabletten verabreicht, da frisches Obst und Gemüse aus Kostengründen nicht zur Knastkost gehören sollen. „Selbst im überteuerten Gefängnisladen gibt es meist nur Konserven und Abgepacktes“, beschreibt Bernadette Faber die Lebensumstände in der Haftanstalt, in der Söring seit fast drei Jahrzehnten einsitzt. Sein größtes Hobby, neben dem Schreiben sei der Sport, sagt Söring, der in den Jahren der Haft kaum gealtert ist. Prominente TV-Journalisten wie Johannes B. Kerner und Markus Lanz haben mit ihm gesprochen und seine Geschichte zum Thema ihrer Sendung gemacht. Vor einem Jahr ist gar ein Dokumentarfilm („Das Versprechen“) über Söring in die Kinos gekommen, der auch in den USA für Furore gesorgt hat. „Sollte der Gouverneur die Petition ablehnen, habe ich keinen Plan B in der Tasche“, sagt Bernadette Faber ein wenig traurig am Telefon. Es ist fast wie im wahren Leben. Manche Probleme lassen sich nicht lösen, sondern im Vertrauen auf Gott nur lindern.
Foto: Vallendar