Anwälte der Globalisierung (3)

Der mutige Aufbruch in die Ferne. Ein Porträt dreier deutscher Juristen in Sydney, San Francisco und New York City. Justament-Serie in drei Teilen, Teil 3

Ines Duhanic

Deutsches Gesellschaftsrecht an der 3rd Avenue

So-Ang Park

Währenddessen auf der anderen Seite der USA, an der Ostküste: Es ist eines der Epizentren der Finanzwelt und er behält es stets im Blick. Durch die großen Fenster auf der Außenseite des Büros im sechsundzwanzigsten Stock der 3rd Avenue in Manhattan, New York City, unweit der Lexington Avenue, auf der die berühmte Szene in „Das verflixte siebente Jahr“ mit Marilyn Monroe’s wehendem Kleid über einem U-Bahn-Schacht gedreht wurde, zwischen dem Rockefeller Center und der langgezogenen Meerenge des East River, schaut So-Ang Park auf das Getümmel auf der Straße inmitten von Manhattan. New York, diese einzigartige Energie, die New Yorker Energie, war es, die den deutschen Rechtsanwalt aus Berlin mit südkoreanischen Wurzeln nicht mehr losgelassen hat. Genau wie für So-Ang Park gemacht, der neben dem Jura-Studium in Köln erfolgreich als Model für internationale Marken sowie als Einkäufer für Avantgarde-Modestores jobbte, sowie bekennender Omakase-Sushi Liebhaber, leidenschaftlicher Opern-Gänger und Yogi ist, scheint die Stadt wie ein Brennstoff für Rebellen, Kreative, Freidenker zu sein. Kein Wunder, dass So-Ang Park seine Nische im Venture Capital und Private Equity gefunden hat; eines der dynamischsten Rechtsgebiete, das nichts für zartbesaitete Gemüter ist, da schnelle Entscheidungen unter immensen Druck zum normalen Tagesgeschäft gehören. Nicht ohne Grund heißt Kapital für innovative Gründer auch Risikokapital: Wenn die Idee scheitert, ist das investierte Geld weg. Erst vor kurzem half er dabei, den letzten großen Deal abzuschließen, bei dem es um die rechtliche Begleitung bei der Finanzierung von 100 Millionen Dollar eines Hamburger Fin-Tech-Start-Ups ging, das rasant in den US Markt expandieren konnte. Bei der Verhandlung mit internationalen Investoren ist dabei So-Ang Park’s Erfahrung in den USA, aber eben auch in Deutschland ausschlaggebend: „Bei internationalen Investoren ist es wesentlich, zu verstehen wie Deals in den jeweiligen Heimatjurisdiktionen rechtlich umgesetzt werden, um die Besonderheiten des deutschen Rechts in einfachen Worten erklären zu können. Dabei bedarf es oft Fingerspitzengefühls. Einem Amerikaner zu erklären, warum die Investition in eine deutsche GmbH aus rechtlicher Sicht so tückisch und streng-formalistisch ist, kann schon eine Herausforderung sein. „Die anwaltliche Beratungstätigkeit an der Schnittstelle von grenzüberschreitenden komplexen gesellschaftsrechtlichen Fragen – etwa bei der Gestaltung von Investment- und Gesellschaftervereinbarungen und die rechtliche Begleitung des Lebenszyklus eines Unternehmens von der Gründung über diverse Finanzierungsrunden bis hin zu einem Exit und die Dynamik, die dieses Rechtsgebiet im ohnehin schnelllebigen New York mit sich bringt, machen für So-Ang Park den Reiz aus.
So-Ang Park hatte im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen aus dem Referendariat auf dem Weg nach oben am Anfang die Wahl. Sein Lebenslauf liest sich wie das Bilderbuch eines Top-Juristen: Überdurchschnittliche juristische Qualifikationen, exzellente Englischkenntnisse und Zusatzqualifikationen durch seine Promotion im Urheberrecht mit einem Forschungsaufenthalt an der Sungkyunkwan University in Seoul, Süd-Korea, Referendariat unter anderem am Generalkonsulat in Hong Kong sowie anschließend das Postgraduiertenstudium an der renommierten Columbia University.
„Genau genommen saß ich drei Tage nach der mündlichen Prüfung bereits in der Vorlesung an der Columbia. Das war eines der besten Jahre meines Lebens.“ Nicht nur das. Der LL.M. eröffnete ihm auch die Möglichkeit sein Profil für den amerikanischen Rechtsmarkt abzurunden. Die Wahl auf den Arbeitgeber fiel hierbei auf die pan-europäische Kanzlei Noerr LLP, welche als einzige unabhängige deutsch-zentrische Kanzlei seit 2005 eine physische Präsenz in New York unterhält. Gleich nach dem LL.M. hatte er eine heißbegehrte Stelle als Associate bekommen. Auf eine Zwischenstation im Berliner Büro folgte der Wechsel in das New Yorker Büro und in 2018 die Promotion zum Counsel in New York. Einst selbst zu Recruiting-Gesprächen eingeladen, ist Park nun selbst in den Recruiting-Messen in New York unterwegs, um neue Talente aus Deutschland für die Großkanzlei zu gewinnen.
Doch selbst für Top-Juristen wie für Park ist New York ein hartes Pflaster: „New York ist der kompetitivste Markt der Welt. Man macht zwar schneller Kontakte als in Deutschland, diese zu pflegen und auszubauen erfordert jedoch mehr Zeit und Energie als in der Heimat. Gerade zu Beginn musste ich feststellen, dass Kontakte nach anfänglicher Euphorie doch recht schnell abkühlten. Zudem zieht es Top-Juristen aus aller Welt nach New York, das erzeugt einen massiven Wettbewerb und einen latenten Rechtfertigungsdruck für die Existenz hier. Es reicht nicht aus, lediglich ein guter Jurist zu sein. Ein selbstsicheres Auftreten sowie Teamfähigkeit sind die Basics. Um hier Fuß fassen zu können, muss ein Anwalt darüber hinaus extrem pro-aktiv sein und sein Netzwerk kontinuierlich erweitern. Ein Visum zu bekommen war und ist schwierig und man muss den potentiellen Arbeitgeber überzeugen, dass man die Kosten und den Aufwand wert ist. Dass ich hier so lange bleiben werde, hatte ich mir allerdings nicht vorgestellt und geplant. Hierfür ist Beständigkeit und ein eiserner Wille gefragt, vor allem muss man sich aber strategisch klug aufstellen.“
Seither ist über ein halbes Jahrzehnt vergangen und Park ist nunmehr fest von der New Yorker Magie beseelt und überzeugt hier zu bleiben. „New York ist dreckig, der Müll stapelt sich teilweise mannshoch, es riecht, es ist laut, jeder hupt, wackelnde Armaturen im Bad, brutal heiße U-Bahnschächten im Sommer. Und dennoch: Es ist genau dieses urbane Gefühl, die Coolheit der Stadt, die energetischen Menschen, was mich so an New York fasziniert.“
Trotz einiger Zweifel auf dem Weg nach oben in die Top-Liga der Nachwuchsjuristen auf dem Anwaltsmarkt schwärmt So-Ang Park von seiner neuen Wahlheimat und ist froh, als einer der wenigen deutschen Juristen, die Chance bekommen zu haben, mit deutscher Anwaltszulassung in New York zu arbeiten und vor allem eins machen zu können: zu genießen und die New Yorker Lebensart zu leben. „Wenn man im Sommer am Washington Square Park sitzt und den Musikanten und Schachspielern zuschaut, zum Hudson schlendert, um die Brise zu genießen, und dann am Abend nach einer Galerieeröffnung in Chelsea zu einem Jazz Konzert wandert, nur um letztlich in einem umgewandelten Loft in Bushwick mit Menschen aus aller Welt und Professionen aller Art, Künstlern, Designern und Bankern zu enden und dann den Abend egal zu welcher Uhrzeit bei einem Korean BBQ in Korea Town ausklingen zu lassen, das ist New York für mich. Und das kann mir Deutschland nicht geben“.

Fazit: Die deutsche Juristenausbildung und der Bedarf zur Reform

Das ist New York City. Ähnlich wie San Francisco für Hanna Steinbach und Sydney für Wolfgang Babeck. Seine Träume zu verwirklichen sollte möglich sein, auch als Jurist. Nationale Grenzen sollten gesprengt und geöffnet werden für Neues, für Abenteuer, aber auch für seine juristische Expertise. Leider bleiben diese Erfolgsgeschichten einzelne Ausnahmen. Wer aus privaten oder auch sonstigen Gründen als Jurist im Ausland arbeiten möchte, dem bleiben in der Regel die Türen verschlossen. Doch die frühzeitige Spezialisierung im Wirtschaftsrecht, das aufgrund der internationalen Ausrichtung zumindest flexiblere Arbeitseinsätze ermöglicht, kann den Weg ins Ausland erleichtern. Um im europäischen Ausland als deutscher Rechtsanwalt in Lohn und Brot zu kommen, braucht man – neben erstklassigen Englischkenntnissen – entweder die rare vorkommende Situation einer deutschen Kanzlei mit deutschen Mandaten oder einen (sehr) langen Atem, um sich in die jeweils geltende fremde Rechtsordnung und zusätzliche Prüfungen für die Zulassung einzuarbeiten. Beharrlichkeit und eisiger Wille ist hier in der Tat mehr als gefragt.
Die deutsche Juristenausbildung hat trotz langer Tradition und gutem Ruf im Ausland einen entscheidenden Nachteil: Sie zielt auf die Befähigung zum Richteramt ab. Doch warum eigentlich? Die Mehrzahl der Absolventen wird sowieso Rechtsanwalt. Anstatt sich genau wie die amerikanischen, englischen oder australischen jungen Juristen frühzeitig auf das zu besinnen, was entscheidend ist: Erfahrung in der Praxis zu sammeln, gilt hierzulande die verstaubte und beinahe jahrhundertealte Prämisse des Universal-Juristen. Anstelle von langjährigen, intensiven Traineeships in einer Kanzlei sitzt der zukünftige deutsche Anwärter zur Rechtsanwaltschaft während des Referendariats ein paar Wochen lang neben dem Richter, dann darf er mal in die Akten des Staatsanwaltes schnuppern und kurz, falls er neben dem Lerndruck für das zweite Examen Zeit hat, darf er in einer Kanzlei arbeiten. Im Schnitt ist der deutsche Volljurist um einiges älter als sein ausländischer Law School Absolvent mit gleichzeitig weniger Berufserfahrung.
Die juristische Ausbildung in Deutschland ist reformbedürftig und es gibt hohen Handlungsbedarf. Ein erster Schritt in die richtige Richtung war die Reform des Jura-studiums mit der Einführung der obligatorischen Spezialisierung durch wählbare Schwerpunktfächer an der Universität. Doch auch die praktische Ausbildung schreit nach Spezialisierung und Umwälzung. Das Ideal des Volljuristen, der alles kann und jedes noch so komplexe Rechtsgebiet beherrscht, erscheint schön, aber auch naiv. Denn niemals wird der praktizierende Rechtsanwalt Mandanten im Strafprozess zu einem möglichen Deal beraten, gleichzeitig womöglich ein Urteil zu einem baurechtlichen Zulassungsverfahren entwerfen und nebenher urheberrechtliche Mandate betreuen. Der Jurist kann nur so gut sein wie seine fachliche Expertise, und Expertise entsteht durch Übung, Praxis, Erfahrung. Erfahrung aber kann nicht entstehen, wenn man in alles mal reinschnuppern darf, ohne dabei Tiefgang zu erfahren und die rechtlichen Zusammenhänge in der anwaltlichen Praxis zu verstehen. Der akuten Personalnot in Gerichten und Justizbehörden gerade angesichts der Migrationsflut von Flüchtlingen würde es auch guttun, den Juristen frühzeitig auf seinen späteren Werdegang zu spezialisieren – ob im öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft.

Zwar ist die Juristerei nicht so frei, dass man als Jurist wie etwa der IT-Experte oder Elektroingenieur überall auf der Welt arbeiten könnte. Jedoch: Wer sich frühzeitig auf das Wirtschaftsrecht – ob nun internationalen Business Law, M&A, Kartellrecht oder im gewerblichen Rechtsschutz – spezialisiert und dazu kreativ und geschickt die Kunst des Netzwerkens beherrscht, der kann nicht nur erfolgreich sein. Er kann darüber hinaus seiner Passion in dem Land seiner Träume nachgehen. Die Juristenausbildung in einer der weltweit wichtigsten Wirtschaftsnationen sollte dem nicht mehr entgegenstehen.

Veröffentlicht von on Mai 27th, 2019 und gespeichert unter AUSBILDUNG. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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