Der Viskorf/Schuck/Wälzholz ist zum Standardkommentar zum Erbschaftssteuergesetz geworden
Matthias Wiemers
Zunächst einmal sei an dieser Stelle ein für Praktiker äußerst bedeutsamer Verlag eingeführt, der Verlag „Neue Wirtschaftsbriefe“ aus Herne in Westfalen (viele würden einfach sagen: aus dem Ruhrgebiet, was natürlich nicht falsch ist).
Der seit 1947 bestehende Verlag ist bis heute ein Familienunternehmen und hat sich von Anfang an darauf spezialisiert, Dienstleistungen insbesondere für Steuerberater zu erbringen. Aber auch Betriebswirte und Wirtschaftsrechtler werden bedient. Wegen der klaren Fokussierung muss, wer nach steuerrechtlicher Literatur sucht, immer auch den NWB Verlag konsultieren. Nachfolgend vorzustellen ist ein Werk, das nunmehr in sechster Auflage erschienen ist und das das außerhalb der Fachkreise weitgehend unbekannte Phänomen der Erbschafts- und Schenkungssteuer behandelt.
Von der Erbschaftssteuer ist gelegentlich in den Medien die Rede – etwa dann, wenn das Bundesverfassungsgericht wieder einmal das geltende Erbschaftssteuerrecht für verfassungswidrig erklärt hat.
Die Erbschaftssteuer bringt zwar jährlich keine 5 Milliarden ein und ist sehr aufwendig in der Erhebung, wird aber unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit insbesondere von der politischen Linken als Symbol gepflegt. Die eher als „bürgerlich“ bezeichneten politischen Kräfte argumentieren dagegen, dass das Vererbte oder Geschenkte ja bereits versteuert sei – und deswegen eine Doppelbesteuerung vorliege. Das geltende Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht ist deshalb immer ein Kompromiss – der eben so lange hält, bis wieder einmal Entscheidungen des BVerfG (oder des BFH) Korrekturen an diesem Kompromiss veranlassen. Der Staat greift hier auf das Vermögen des jeweiligen Erwerbers zu, allerdings nur auf das ihm zufallende Vermögen (während er nach dem bis 1997 vollzogenen Vermögenssteuergesetz auf die Vermögen jedes Vermögenden zugegriffen hat, sofern die Voraussetzungen des Vermögenssteuergesetzes erfüllt waren, das Vermögen eine bestimmte Höhe erreicht hatte).
Die Kommentierung beginn mit einer Einführung als der Feder des Mitherausgebers Viskorf, der dem Leser zunächst erklärt, dass die Erbschaftssteuer als Erbanfallsteuer ausgestaltet sei. Besteuert wird also nur das dem Erben zufallende Vermögen. Die Erbschaftsteuer ist danach weiterhin:
– Verkehrssteuer
– Personensteuer und
– direkte Steuer.
Sodann erfolgt eine historische Darstellung über die Entwicklung der Erbschaftssteuer, wo der Leser lernt, dass die Erbschaft bereits in der Antike besteuert wurde.
Wichtig sind auch die Ausführungen zur Rechtfertigung der Erbschaftssteuer. Wie schon angedeutet, ist die Erbschaftssteuer durchaus umstritten, und deshalb ist es bei ihr besonders wichtig, sich über ihre Natur klarzuwerden, um in diesem Zusammenhang eine Rechtfertigung vornehmen zu können. Viskorf stellt fest, die Erbschaftssteuer sei keine Nachlasssteuer, sondern sie rechtfertige sich aufgrund der „mit dem Erbe im Sinne eines Mittelerwerbs verbunden Erhöhung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Erben als Bereicherungssteuer“ (Rdnr. 31).
Warum sowohl das Vererben wie auch das Verschenken der Besteuerung unterliegt, ergibt sich auch aus § 1 des Gesetzes – mit der Logik, dass bei Steuerfreiheit der Schenkung das Erbschaftssteuerrecht umgangen werden könnte – jedenfalls dann, wenn der Erblasser rechtzeitig merkt, dass es mit ihm zu Ende geht. Die Gelichstellung von Vererben und Schenken besteht bereits seit Jahrzehnten, und sie wird deshalb in diesem Kommentar auch nicht problematisiert. Damit ist sogleich die Grundmelodie des – insgesamt alles andere als knappen – Kommentars angestimmt: Er ist trotz seines Umfangs auf Knappheit der Darstellung angelegt.
Die nur etwa 40 Paragraphen des Gesetzes werden ergänzt durch weitere Dokumente, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorschriften abgedruckt werden. So werden es dann über 1000 Seiten Kommentierung.
Ein weitgehend unbekanntes Gesetz – jedenfalls für Personen, die weder Steuerrechtler noch Betriebswirte sind – ist das Bewertungsgesetz, das mit etwa 900 Seiten Kommentierung die zweite Hälfte des vorliegenden Kommentars ausmacht. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde dieses Gesetz erneut in Erinnerung gerufen, als das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 10. April 2018 das geltende Grundsteuerrecht nach dem Grundsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt hat. Das Grundsteuergesetz ist gewissermaßen auf eine Zusammenarbeit mit dem Bewertungsgesetz angewiesen. Die Kommentierung enthält hier keine Einführung, allerdings hat Viskorf im Rahmen seiner Kommentierung des § 1 BewG diese Einführung – u. d. T. „A. Aufgabe und Aufbau des Bewertungsgesetzes“ diese Einführung geliefert. Diese ist allerdings sehr knapp gehalten. Quintessenz des Bewertungsgesetzes ist die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage für verschiedene Steuerarten.
Kritisch merkt Viskorf hier bereits an: „Dieses nicht zuletzt auch dem einfacheren Gesetzesvollzug dienende Prinzip (der notwendigen einheitlichen Bewertung, M. W.) hat der Gesetzgeer weitgehend verlassen. So gibt es allein für die Bewertung von Grundbesitz vier verschiedene Bewertungsverfahren“ (§ 1, Rdnr. 2). Hier sind wir dann wieder in der Gegenwart, die in der im neuen Jahr zu Ende gehenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestags die Neuordnung der Grundsteuer fordert, u. a. damit es auch in diesem Rechtgebiet endlich zu einer „inneren Wiedervereinigung“ im deutschen Recht kommt.
Das Bewertungssteuergesetz weist etwa 270 Paragraphen auf, die wirklich sehr knapp und auch nur auszugsweise kommentiert werden, ein umfangreiches Sachverzeichnis schließt den band ab.
Warum nun die gemeinsame Kommentierung von Erbschaftssteuergesetz und Bewertungsgesetz in einem Band? Für die Frage, wie hoch die Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer jeweils zu beziffern ist, kommt es für Immobilien und bewegliches Vermögen darauf an, wie diese in Euro bewertet werden. Denn die Steuer ist selbstverständlich in Euro zu entrichten.
Insofern kann man sagen, besteht zwischen den hier gemeinsam kommentierten Gesetzen die größte Schnittstelle. Erbschaftssteuer ohne Bewertung ist nicht denkbar.
Dem Praktiker kann das Werk uneingeschränkt empfohlen werden. Studierende sollten eher zu einem Lehrbuch greifen, wovon NWB auch zahlreiche bereithält. (Diese sind freilich typischerweise umfangreicher als diejenigen aus anderen Verlagen – was den hohen Praxisbezug dokumentiert).
Die nunmehr fast 2000 Seiten der neuen Auflage werden sicher nicht gleich im nächsten Jahr wieder veraltet sein. Hierfür sorgt schon ein besonderer Online-Aktualisierungsservice, der für den Nutzer des Kommentars so lange gilt, bis eine gedruckte Neuauflage erschienen ist. Dies ist ein positives Beispiel für eine kundenorientierte Versöhnung von analoger und digitaler Welt.
Viskorf/Schuck/Wälzholz (Hrsg.), Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz, Bewertungsgesetz (Auszug). Kommentar, 6. Aufl., Herne 2020, 1930 S., 169 Euro (978-3-482-51686-3)