Die drei Schuldrechts-Teilbände des Nomos-BGB-Kommentars in 4. Auflage
Franz Schnauder
In regelmäßigen Abständen erscheinen die Neuauflagen der Bände des längst etablierten NomosKommentar BGB. Inzwischen liegt die 4. Auflage des im Jahre 2002 im Deutschen AnwaltVerlag erstmals erschienenen Schuldrechtsbandes vor. Sie ist um fast 1000 Seiten gegenüber der 3. Auflage (2016) gewachsen, was eine Aufstockung von 2 auf 3 Teilbände erforderlich machte. Die insgesamt 6833 Druckseiten mit einem stattlichen Gesamtgewicht von 6361 g „haben es in sich“ – sie sind eine gewichtige Stimme im Konzert der gedruckten Großkommentare zum BGB. Den Band 2 der Kommentarreihe haben 91 Autoren verfasst (davon im Vergleich zur Vorauflage 19 neue), darunter neben Universitätslehrern und einigen Richtern auffallend viele Rechts- und Fachanwälte, so dass profunde Kenntnis der Rechtspraxis und wissenschaftliche Vertiefung des Stoffs gleichermaßen gewährleistet sind. Die anwaltliche Praxis war und ist ein wichtiges Ziel des Kommentars, den der Verlag seit der 2. Auflage in Kooperation mit dem Deutschen AnwaltVerein herausgibt. Das Werk vermittelt aber darüber hinaus jedem Nutzer die für das Verständnis und die Anwendung der Rechtsnormen erforderlichen Informationen über die ratio legis sowie über den jeweiligen Meinungsstand von Rechtsprechung und Literatur. Beinahe schon als ein Alleinstellungsmerkmal des Kommentars können die vielen von Experten bearbeiteten Anhänge betrachtet werden, die wichtige Spezialmaterien aufgreifen und insbesondere für die beratende und forensische Anwaltspraxis aufbereiten. Der Lesbarkeit des Kommentars kommt durchgängig entgegen, dass die Belegstellen in Fußnoten zum Text erscheinen und nicht (wie selbst bei anderen Großkommentaren) in den Text integriert sind.
Im Rahmen der vorliegenden Buchbesprechung kann selbstverständlich nicht auf Einzelheiten eingegangen werden. Allerdings ist festzustellen, dass der grundsätzlich hohe Standard der Kommentierung nicht durchweg bei allen Beiträgen vorliegt. Das vermag aber mit Blick auf den Umfang der Teilbände und die große Zahl der Autoren nicht verwundern. Dem Anspruch eines Großkommentars werden jedoch viele, ja die meisten Bearbeitungen ohne Vorbehalt gerecht. Beispielhaft seien genannt die Schwerpunktkommentierungen zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht (Dauner-Lieb), zum Kaufrecht (Büdenbender), zum Mietrecht (Klein-Blenkers), zum Recht der Geschäftsbesorgung (Schwab), zum Gesellschaftsrecht (Heidel), zum Bereicherungsrecht (von Sachsen Gessaphe) und zum Deliktsrecht (Katzenmeier, Huber). Die genannten Autoren stellen den Stoff erschöpfend und tatsächlich beinahe enzyklopädisch dar und diskutieren jeweils neben dem Standpunkt der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre auch abweichende Stimmen im Schrifttum. Die Verfasser gehen dabei zum Teil schon in umfangreichen Vorbemerkungen auf Grundfragen der Rechtsmaterie ein. Als vorbildlich sei hier nur erwähnt die Darstellung von Klein-Blenkers zum Mietrecht, die einen hervorragenden Überblick über die in hohem Maße unübersichtlichen und einem fortwährenden Novellierungsprozess unterworfenen Regeln zum Mietrecht bietet.
Der in diesen beispielhaft genannten Kommentarstellen angestrebte wissenschaftliche Diskurs zeigt sich für gewöhnlich schon daran, dass den Erläuterungen ein umfassendes und aktualisiertes (!) Literaturverzeichnis vorangestellt ist. Ein solcher Impetus, wie er auch an anderen Stellen vorherrscht (z.B. bei der Erörterung des Arbeitsrechts [Klappstein], des Werkvertragsrechts [Lederer/Raab] sowie des Zahlungsdiensterechts [Beesch]), ist allerdings dem Kommentar nicht durchweg zu attestieren, was zur Folge hat, dass der Rechtsstoff nicht in gleichem Maße wissenschaftlich durchdrungen wird. Die insoweit nicht austarierten Kommentarstellen beschränken sich dann häufig auf eine Kompilation vereinzelter Stimmen aus der gängigen Kommentarliteratur sowie aus der einschlägigen Judikatur. Die bloß kursorische Behandlung eines Themas erreicht in solchen Fällen das anspruchsvolle Niveau eines Großkommentars nicht in jeder Hinsicht. Das trifft, um hier ein Beispiel zu nennen, auf die Ausführungen von Avenarius zum Erfüllungsrecht zu, die keinen Hinweis auf die rechtsdogmatischen Streitfragen und ihre praktischen Folgen enthalten. Zu Unrecht zeichnet der Verfasser hier das Bild einer problemfreien Rechtsmaterie. Im Übrigen fällt bei der Darstellung der bürgerlich-rechtlichen Anweisung (Sohbi) auf, dass der Autor die Ausführungen aus der Vorauflage ohne jede Änderung bis auf das Komma in die Neuauflage übernommen hat. Inzwischen erschienene Literatur oder neuere Entscheidungen (wie z.B. BGHZ 205, 377) bleiben vollkommen unberücksichtigt.
Diese und ähnliche Beobachtungen sind singulärer Natur, sie können das Gesamtbild jedoch nicht entscheidend trüben. Der vom Kommentar direkt angesprochene Kreis der Interessenten, namentlich die Anwaltschaft, wird bei ihren Recherchen regelmäßig mit großem Gewinn auf das Werk zurückgreifen und nicht enttäuscht werden. Der Kommentar kann Platz und Rangstelle in der Reihe der Konkurrenzprodukte nicht nur behaupten, sondern mit Sicherheit weiter steigern. Der Erwerb des neuen Schuldrechtsbandes lohnt sich in jedem Fall, er kann ohne Einschränkung empfohlen werden.
BGB, Bd 2: Schuldrecht
Kommentar. Hrsg. von Barbara Dauner-Lieb und Werner Langen. 4. Aufl. (NomosKommentar). – Baden-Baden, Nomos 2021. XXXV, 6833 S, geb. Euro 298,-. ISBN 978-3-8487-3