Bis zur nächsten Reform

Der Taschenkommentar zum AGG in 6. Auflage

Rainer Stumpf

Die neue Gleichstellungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, hat gleich schon mal die Richtung vorgegeben: Es brauche „dringend“ eine umfassende Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Bislang gebe es in Deutschland noch zu viele Hürden für Betroffene, die sich gegen Diskriminierung wehren wollten, und zu wenige Beratungsstellen. Viele Betroffene müssten auf eigene Kosten klagen und hätten zu wenig Zeit, ihre Fälle zu melden. So müssten Diskriminierungsfälle bislang innerhalb von acht Wochen eingegangen sein. Das sei zu kurz, beklagt Ataman, und fordert, die Frist auf ein Jahr auszuweiten. Auch müsse es Verbänden und der Antidiskriminierungsstelle selbst erlaubt werden zu klagen – nicht nur dem Einzelnen. Hinzu kommt, dass das AGG in seiner jetzigen Form nur Menschen schützt, die wegen des Alters, wegen Krankheit, Behinderung, Herkunft, des Geschlechts, der Religion, Weltanschauung oder wegen der sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Einen Schutz für Menschen, die etwa wegen ihres sozialen Status Benachteiligung erfahren, sieht das Gesetz noch nicht vor. Auch hier würde Ferda Ataman am liebsten nachbessern. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche dieser Reformwünsche sich am Ende politisch auch durchsetzen lassen.
Einstweilen bleibt es also noch beim „alten“ AGG, dessen Kommentierung von Schleusener, Suckow und Plum jüngst in 6. Auflage erschienen ist. Man muss es schon zugeben, ein Kommentar in solch einem angenehm kleinen, handlichen Format sucht mittlerweile seinesgleichen. Die Älteren werden sich vielleicht noch wehmütig an den guten, alten Lackner-Kommentar zum Strafgesetzbuch erinnern, der vor langer Zeit auch mal ein solches Format – klein und dick – hatte… Der Schleusener jedenfalls bringt auf diesmal 819 Seiten (in der Vorauflage von 2019 waren es gerade einmal 700) den Leser auf den aktuellen Stand.
Längst ist das AGG – erlassen am 14. August 2006 – fester Bestandteil der Personalarbeit in Betrieben und Dienststellen sowie in Verfahren vor den Arbeitsgerichten geworden, ja es wirkt in alle Bereiche des Arbeitsrechts: von der Stellenausschreibung über das Bewerbungsverfahren, die Einstellung und die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Neuauflage bezieht die gesamte aktualisierte Rechtsprechung insbesondere des EuGH und des BAG sowie die Literatur mit ein und stellt die Auswirkungen für die Arbeitsrechtspraxis dar.
Die drei Autoren, Dr. Aino Schleusener, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Dr. Jens Suckow, Richter am Bundesarbeitsgericht, und Dr. Martin Plum, Richter am Arbeitsgericht Düsseldorf und z.Zt. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesarbeitsgericht, liefern mit geballter fachlicher Kompetenz einmal mehr einen verlässlichen Leitfaden für den Umgang mit dem AGG, der vor allem den Bedürfnissen der Rechtspraxis Rechnung trägt.

Schleusener/Suckow/Plum
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Taschenkommentar
Luchterhand Verlag/Wolters Kluwer, 6. Auflage 2022
819 Seiten, 99 Euro
ISBN 978-3-472-09-704-4

Veröffentlicht von on Sep 19th, 2022 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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