Die vierte Auflage ist der Verjüngung der Bearbeiter gewidmet
Matthias Wiemers
Als im Jahre 1996 ein neuer GG-Kommentar herauskam, konnte man gespannt sein. Es gab damals nicht so viele, und schon gar nicht außerhalb des Beck-Verlags. Die Losblattwerke hießen Bonner Kommentar, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz und Leibholz/Rinck/Hesselberger, die seinerzeit alle sehr langsam in ihren Aktualisierungsbemühungen waren (und die dritte Auflage des von Mangoldt/Klein war bekanntermaßen ein Rohrkrepierer, weil von 14 geplanten Bänden nur vier erschienen). Und nun sollte neben den von Münch/Kunig ein zweiter dreibändiger Kommentar treten, aus einem Verlag, der sich diesbezüglich noch nicht versucht hatte. Der Rezensent erwarb den ersten Band mit leichter Verspätung und kaufte dann auch die anderen Bände. Denn was er in den Händen hielt, gefiel ihm. Es war ein anderes Gefühl, ein Gefühl von Luxus, das man beim Blättern empfand. Die Autoren waren etwas jünger als die in den konkurrierenden Werken, der Aufbau der Bearbeitungen war etwas anders. Herausgeber war Horst Dreier, der gerade von Hamburg nach Würzburg berufen war. Er, der sich mittlerweile seit drei Jahren im Ruhestand befindet, hat nunmehr die Herausgeberschaft in jüngere Hände gegeben. Zugleich sind, nachdem es zwischen den Neuauflagen immer wieder einzelne Veränderungen im Bearbeiterkreis gegeben hatte, nunmehr alle bisherigen Mitarbeiter ausgeschieden, mit Ausnahme derjenigen, die noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet haben. So stellt es sich jedenfalls dem Betrachter dar. Neue Herausgeberin ist die schon bisherige Mitarbeiterin der dritten Auflage Frauke Brosius-Gersdorf, deren gewisser bisheriger Arbeitsschwerpunkt bereits seit der Vorauflage im „Dreier“ zur Entfaltung kommt, in der Kommentierung der Art. 6 und 7 GG, die bekanntlich beide von Fragen der Erziehung handeln.
Doch beginnen wir vorne. Die Präambel hat Frederike Wapler von Horst Dreier übernommen. Gleiches gilt für die Vorbemerkung vor Art. 1, für die nunmehr Heiko Sauer verantwortlich zeichnet. Sauer liefert an dieser wie gewohnt eine Einführung in die Grundrechtstheorie. Friederike Wapler liefert sodann eine Neubearbeitung von Artikel 1 Abs. 1, aufbauend auf der Kommentierung Dreiers. Geht es weiter in der Grundrechtstheorie, für die die beiden weiteren Absätze des Art. 1 GG stehen, so ist dies wieder ein Fall für Heiko Sauer, der ebenfalls auf Dreier aufbaut. Dasselbe gilt auch für die Neubearbeitung von Art. 2 Abs. 1 GG durch Torben Barczak. Damit gehen die wertvollen Arbeiten des Gründungsherausgebers nicht verloren.
Neu bearbeitet wurde Art. 2 Abs. 2 S. 1 – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – durch Julian Krüper und Art. 2 Abs. 2 S. 2 – Freiheit der Person – von Andreas Funke.
Alexander Thiele hat die Kommentierung des Allgemeinen Gleichheitssatzes von seinem verstorbenen Lehrer Werner Heun übernommen. Jelena von Achenbach kommentiert Art. 3 Abs. 2 GG über die Geschlechtergleichheit und die Diskriminierungsverbote des Absatzes 3 gemeinsam und hat Neubearbeitungen vorgenommen.
Der Jurist und Historiker sowie ehemalige Justiziar des Bistums Limburg, Gernot Sydow, hat Artikel 4 GG neu bearbeitet und zwar vollständig, aber knapp.
Anna-Bettina Kaiser oblag die Neubearbeitung der beiden ersten Absätze des Artikels 5, wobei sie auf der Vorkommentierung Schulze Fielitz´ aufbaut, während Claas-Friedrich Germelmann Fabian Wittrecks Bearbeitung des Absatzes 3 abgelöst hat und hier auch auf diesen zurückgreift. Beschränkt sich Germelmann auf die Kunst, so hat sich Julian Krüper der Wissenschaft gewidmet – jedenfalls im Rahmen von Art. 5 GG.
Frauke Brosius Gersdorf hat, wie bereits erwähnt, die beiden Erziehungsartikel des GG gleichzeitig neu kommentiert. Dies kann als eine sinnvolle Kombination betrachtet werden, die soweit ersichtlich bislang nur im Dürig/Herzog/Scholz (Peter Badura). Vorgenommen wurde
Anna-Bettina Kaiser hat die Kommentierung der Versammlungsfreiheit von Helmuth Schulze-Fielitz übernommen, und Torben Barczak die der Vereinigungsfreiheit von Hartmut Bauer,
Thomas Wischmeyer hat Artikel vollständig neu bearbeitet, sinnvollerweise ergänzt durch seine Kommentierung des Artikels 13 über die Freiheit der Wohnung. Die Artikel 11 und 12 gehören abermals Ferdinand Wollenschläger, während Alexander Thiele wiederum die Kommentierung Werner Heuns zu Art. 12 a GG fortführt. Simon Kempny hat die Eigentumsfreiheit und die Sozialisierungsklausel von Joachim Wieland übernommen, auf dessen Kommentierung er aufbaut.
Marten Breuer führt die Kommentierung des Artikels 16 von Fabian Wittreck fort, wie auch Johannes Eichenhofer die des art. 16a.
Julian Krüper hat das Petitionsrecht neu kommentiert, und Torben Barczak hat die Kommentierung des Art. 18 von Fabian Wittreck übernommen.
Die Kommentierung der einzelnen Absätze des Art. 19 GG teilen sich Ann-Katrin Kaufhold (Abs. 1 bis 3) und Andreas Funke (Abs. 4). Kaufhold „beerbt“ dabei Horst Dreier.
Fabian Wittreck, der gerade in der Vorauflage einige Bearbeitungen übernommen hatte und der habilitierter Schüler Horst Dreiers ist, ist aus dem Bearbeiterkreis ausgeschieden.
Die Zukunft dieses besonderen Kommentars scheint aber nunmehr in der Person Frauke Brosius-Gersdorfs gesichert, die Bearbeitungen namentlich rechtlicher Zukunftsthemen auch auf Verfassungsebene durch einschlägig ausgewiesene Experten gesichert.
Horst Dreier (Hrsg.)
Grundgesetz (Kommentar). Gesamtwerk – Bände I-III
Horst Dreier (Hrsg.)
Grundgesetz (Kommentar)
Mohr Siebeck Verlag, 3. Auflage 2023
6.312 Seiten; 752,00 Euro
ISBN: 978-3-16-150496-9