Er hat das Loch in der Welt geseh’n

Scheiben Spezial: Vor 25 Jahren erschien die zweite Platte von Fink

Thomas Claer

Dass Element of Crime einzigartig sind und es nichts Vergleichbares unter dem deutschen Musikhimmel gibt, weiß mittlerweile wohl jeder, der es wissen will. Doch ist das längst nicht immer so gewesen, denn es gab einmal, ungefähr von Mitte der Neunziger bis Mitte der Nullerjahre, eine Band aus Hamburg, die den Elements nicht nur in vielfacher Hinsicht das Wasser reichen konnte, sondern auch eine beachtliche stilistische Nähe zu ihnen aufwies. Kenner wissen das alles schon lange. Die Rede ist natürlich von Fink, der etwas schrägen Country-Combo des leider viel zu früh verstorbenen Texters, Sängers und Gitarristen Nils Koppruch (1965-2012). Eine Zeit lang waren Fink passenderweise sogar die Vorgruppe von EoC. Und dann spielte auch noch Sven Regener in mehreren Fink-Stücken Trompete.

Angefangen hatte es mit Fink-Veröffentlichungen 1997, als ihr Debütalbum “Vogelbeobachtung im Winter” erschien, das zwar schon durchaus bemerkenswert war, doch hatte die Band darauf ihren Stil noch nicht endgültig gefunden. Dies geschah dann erst ein Jahr später, 1998, vor 25 Jahren, auf dem Album “Loch in der Welt”, das damals, genau wie seine Interpreten, noch ein echter Geheimtipp war. Wunderbar lakonisch kamen diese Songs daher, voll poetischer Tiefe und schwärzester Romantik: “Werft mich in einen Fluss, und wenn ihr Pech habt, hab ich Glück/ Und komm mit einem Fisch im Maul zurück.” Sven Regeners obligatorischer Trompeten-Einsatz ertönt im vierten Stück der Platte mit dem programmatischen Titel “Als einer einmal nicht kam”. Eine wirklich sehr düstere Stimmung durchzieht beinahe das ganze Album: “Wir werden seh’n, ob das Warten sich lohnt/ Und irgendwann… und irgendwann bin ich tot.” Das mit der Frage, ob das Warten sich lohne, textete Nils Koppruch übrigens drei Jahre vor Regener, der es im Song “Es regnet” auf der EoC-Platte “Romantik” wieder aufgreift, allerdings ohne die buchstäblich tödliche Konsequenz seines Kollegen Koppruch.

Ja, das tragisch frühe Ende des so begabten Songwriters Nils Koppruch kam bei Lichte betrachtet keineswegs aus heiterem Himmel. Immer wieder, wohl mindestens einmal auf jeder Fink-Platte, kreisten seine Texte um Sterben und Tod. Und dass es auch auf fast jeder ihrer Platten ausgerechnet 13 Titel sein mussten, hat sich offenbar auch nicht gerade als Glücksbringer erwiesen… Noch zwei weitere zumindest punktuell sehr starke Alben folgten aufs überragende “Loch in der Welt” (1998), nämlich “Mondscheiner” (1999) und das selbstbetitelte rote Album “Fink” (2001). Dann hellte sich, wohl auch bedingt durch den zunehmenden Ruhm und Verkaufserfolge, die Stimmung auf den beiden darauffolgenden Platten zusehends auf, was denen aber nicht unbedingt gutgetan hat. Auch die Band schien mit “Haiku Ambulanz” (2003) und “Bam Bam Bam” (2005) nicht mehr richtig glücklich gewesen zu sein und löste sich schließlich auf. Es folgten noch zweieinhalb Soloalben von Nils Koppruch, und dann… und dann war er tot. Das Urteil für “Loch in der Welt” lautet: gut (14 Punkte).

Fink
Loch in der Welt
XXS Records/Indigo 1998

Veröffentlicht von on Okt 16th, 2023 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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