Gesundheitsrecht wie in der Schweiz

Ein Beispiel aus der Repetitoriums-Reihe von Orell Füssli

Matthias Wiemers

Wenn wir an einen Schweizer Fachverlag denken, der auch juristisches Lehrmaterial publiziert, denken wir schnell an Orell Füssli in Zürich. Dieser Verlag hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von „Repetitorien“ herausgebracht. Eines dieser Werke handelt vom Gesundheitsrecht und stammt aus der Feder von Claudia Seitz, die als Lörracher Rechtsanwältin, Professorin an der Universität Liechtenstein und Lehrbeauftragte an diversen weiteren Hochschulen des In- und Auslandes zunächst einen ausgezeichneten Überblick über Theorie und Praxis des Gesundheitsrechts in Europa zu geben verspricht. Anlass dieser Besprechung ist es, dass dieses Repetitorium teilweise an deutschen Hochschulen zur Lektüre empfohlen wird – was zunächst verwundern mag.

Um diese erste Verwunderung zu zerstreuen, schauen wir zunächst in den sehr umfangreichen Band, der den Untertitel „Kurz gefasste Darstellung mit Schemata, Übungen und Lösungen“ enthält.
Dass es sich beim Untertitel um eindeutiges understatement handelt, wird schon daraus deutlich, dass es 350 Seiten im Großformat sind, die den Leser hier erwarten. Die Autorin grüße auch sogleich im Vorwort zugleich aus Gent, Triesen, Basel und Bonn, mithin aus den Hochschulorten, an denen sie unterrichtet.
In der sehr umfangreichen Einführung wird zunächst eine Darstellung der Entstehung und Entwicklung des Gesundheitsrechts gegeben, bevor abschließend in wenigen Sätzen verdeutlicht wird, dass der Band keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Deutlich wird aber bereits in der Einleitung, warum auch in Deutschland heute weniger von „Arztrecht“ und mehr von „Gesundheitsrecht“ gesprochen wird, das einfach einen weiteren Rechtsbereich umfasst. Im darauf folgenden 1. Teil des Bandes, werden dann zunächst der Gegenstand des Gesundheitsrechts (A) umschrieben, der Begriff der Gesundheit (B), Aufgaben und Funktionen des Gesundheitsrechts (C), bevor dann am Schluss – wenig überraschend – das Gesundheitsrecht als „dynamisches Querschnittsrechtsgebiet“ bezeichnet wird. Wie auch die folgenden Teile schließt Teil 1 mit „Übungen“ (mit Lösungen am Ende des Bandes).
Der 2. Teil handelt von „Gesundheitsökonomie, -politik und -recht“ und zeigt in wenigen Strichen sowohl die Akteure des Gesundheitswesens wie dessen wirtschaftliche und politische Dimensionen als Verteilungsfragen auf.
In vollem Umfang auch für Studierende in Deutschland nutzbar ist der 3. Teil über „Internationales Gesundheitsrecht“ – zumal die hiesige Literatur in der Tat sehr überschaubar ist. Teil 4 referiert ebenso knapp das Gesundheitsrecht der Europäischen Union. Erst dann geht es richtig ins Schweizer Recht: 5. Teil „Grundrechte und Gesundheitsverfassung der Schweizer Bundesverfassung“ und 6. Teil „Gesundheitsrecht im System von Bund, Kantonen und Gemeinden“. Schon im siebten Teil finden wir wieder nicht nur Schweizer Recht vor, sondern das Thema „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ nicht nur aus Schweizer, sondern zugleich aus internationalrechtlicher Perspektive und selbstverständlich unter Auswertung der „Corona-Pandemie“.
Es folgen nun einige Teile mit Spezialmaterien, die allerdings im weiteren Sinne zum Gesundheitsrecht rechnen: 8. Teil „Heilmittel (Arzneimittel und Medizinprodukte), 9. Teil „Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände“, 10. Teil „Humanforschung und Stammzellenforschung“, 11. Teil „Fortpflanzungsmedizin“, 12. Teil „Gentechnik und genetische Untersuchungen im Humanbereich“ und 13. Teil „Transplantationsmedizin“.
Bei allen diesen Einzelgebieten des Gesundheitsrechts kann – sofern man nicht nur die Aussagen zum EU-Recht betrachtet – das dort präsentierte Schweizer Recht als Referenzgebiet zu einschlägigen Regelungen des nationalen Rechts herangezogen werden. Allein schon die entsprechenden Regelungen im deutschen Recht herauszuarbeiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Für Claudia Seitz, deren umfangreiche Basler Habilitationsschrift vom vorletzten Jahr wohl bald erscheinen wird, scheint dies kein so großes Problem gewesen zu sein – ihre Schaffenskraft erscheint als unbegrenzt.
Dann geht es noch einmal profan in den unerlässlichen Pfaden des Gesundheitswesens weiter: 14. Teil „Krankenversicherung und Kostenerstattung“, 15. Teil „Institutionen im Gesundheitswesens und Spitalrecht“ und schließlich 16. Teil „Berufsrecht im Gesundheitswesen“. Diese letzten Kapitel sind recht knapp gefasst. Der Leser erkennt sehr schnell, wo die eigentlichen Schwerpunkte der Autorin liegen, nämlich im Recht der life sciences. Man müsste sich mal an ein Pendant aus Perspektive des deutschen Rechts machen. Wenn man denn Zeit hätte. Autorin und Verlag haben hier nicht nur eine Lücke im Schweizer Lehrmittelangebot geschlossen, sondern praktisch eine in Deutschland aufgerissen.

Claudia Seitz
Repetitorium Gesundheitsrecht
Orell Füssli Verlag, 1. Auflage 2023
352 Seiten; CHF 74,00
ISBN: 978-3-280-07333-9

Veröffentlicht von on Apr 29th, 2024 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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