Vorurteile über Bord

Ein Erfahrungsbericht vom Praktikum bei Morgan Lewis

Jan Gero Alexander Hannemann

Foto: www.morganlewis.de

Foto: www.morganlewis.de

Haben Anwälte nur ihre Karriere im Auge und arbeiten dafür rund um die Uhr? Mein Herbstpraktikum bei Morgan Lewis hat mir ein ganz anderes Bild von Morgan Lewis aufgewiesen: eine lockere, ich möchte fast sagen familiäre Atmosphäre, offene Türen und stets hilfsbereite Anwälte haben mein Bild über Großkanzleien schlagartig geändert. Ein eigenes Büro mit genialem Frankfurtblick, jeden Nachmittag frisches Obst in reichhaltiger Fülle, gemeinsame Abende und Kanzleifußball rundeten das Ganze ab.

Ich hatte im Vorfeld bereits einige Praktika bei Anwälten abgeleistet und war mit der Struktur von kleinen und mittelständischen Kanzleien bestens vertraut. Um so gespannter war ich darauf eine Großkanzlei einmal von innen kennenzulernen und zu sehen, ob die Vorurteile, die über Großkanzleien kursieren (karrierebesessene Menschen, die Tag und Nacht arbeiten, das Wort Freizeit aus ihrem Vokabular gestrichen haben und ständig unter der Angst, dass ein besserer Anwalt ihnen ihre Position streitig machen könnte, zu leiden haben.) wahr sind. Um schon mal einiges vorwegzunehmen und auch damit schon mal Einblick in meine Sicht der Dinge zu geben: Diese Vorurteile stimmen nicht. Ganz im Gegenteil! Am ersten Tag hatte ich Gelegenheit fast das ganze Team von Morgan Lewis kennenzulernen.
Ich traf auf eine Reihe sympathischer Anwälte, die sich bereitwillig viel Zeit für mich nahmen und mir nicht nur Arbeitsanweisungen erteilten, sondern mir auch viel Entfaltungsraum boten und sich auch intensiv mit meiner Person auseinander setzen. Das haben ich natürlich als sehr angenehm empfunden. Bis zum Schluss suchte ich vergebens nach einem Anwalt, der die in der Regel gerade unter Studenten kursierenden Vorurteile über große Wirtschaftskanzleien bestätigen konnte.

Warum ich das Praktikum bei Morgan Lewis absolviert habe: Ich hatte das Glück nach den ersten Zwischenprüfungen in Jura für ein Stipendium vorgeschlagen zu werden. Im Zuge dieses renommierten und auf 300 Stipendiaten begrenzten Stipendiums konnte ich auch die Kanzlei Morgan Lewis kennenlernen.
Ich habe mich dann entschlossen einfach anzufragen, ob die Möglichkeit bestünde hier ein Praktikum zu absolvieren. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich gerade mal im ersten Semester befunden. Ich hatte jedoch bereits Kontakt mit der Kanzlei, die wiederum auch Einsicht in meine Bewerbungsmappe hatte und wurde nun im Januar zu einem kleinen Auswahlgespräch nach Frankfurt geladen. Natürlich war ich total begeistert, da ich niemals damit gerechnet hätte, dass mich eine international agierende und bei Studenten in Hinblick auf Praktika natürlich sehr beliebte Kanzlei zu einem Vorstellungsgespräch einladen würde.
Das war natürlich eine unglaubliche Ehre für mich, da diese Kanzlei in Fachkreisen und unter Juristen ein herausstechendes Renommee hat und gerade in den USA zu einer der größten Kanzleien überhaupt als auch weltweit zählt.
Als man mir dann die Möglichkeit bot hier in einem für mich frei wählbaren Zeitraum ein Praktikum zu absolvieren konnte ich es fast nicht glauben und entschloss mich diese Chance beim Schopf zu greifen und gleich nach dem 2. Semester in den Arbeitsalltag eines Wirtschaftsanwaltes hineinzuschnuppern. Ich wollte mich auch erstmal eine amerikanische Kanzlei ansehen, da mir dies aufgrund ihrer angenehmen Atmosphäre und dem lockeren Umgang untereinander von vielen meiner Jura Komolitonen an meiner Universität empfohlen wurde. Diese lockere Atmosphäre zeichnet sich dadurch aus, dass man automatisch mit jedem Mitarbeiter der Kanzlei per Du war (einschließlich aller Partner und des Managing Partners) und sich der Umgang auch sehr freundschaftlich und vertraut gestaltete.

Zeit, Ort und Dauer
Ich hatte mir das Praktikum in die Semesterferien gelegt und durfte vom 1.September bis zum 1. Oktober die Kanzlei in Franktown (wie Frankfurt am Main von der Buissines Elite scherzhaft genannt wird) direkt im Deutschland Büro der Kanzlei in der 29. und 30. Etage des Opernturms absolvieren.
Während des Praktikums habe ich viel darüber erfahren, wie eine Großkanzlei funktioniert und was das Anwaltsleben mit sich bringt. Bei gemeinsamen Mittagessen wurden diese frisch gewonnenen Erfahrungen dann auch noch vertieft. Die Anwälte haben viel von sich erzählt und mich in ihr Team aufgenommen. Mit den meisten haben ich auch jetzt noch Kontakt und werde diese gewonnenen Freundschaften, die dieses Praktikum alleine schon wertvoll gemacht haben, aufrecht erhalten.

Von wegen Appel und Ei – Appel und Banane!
Wie ich es mir gewünscht hatte, durfte ich alle Praxisgruppen der Kanzlei kennenlernen und konnte mir einen guten Überblick über die einzelnen Stationen verschaffen. Obgleich ich Praktikant war, so hatte ich doch mein eigenes Büro, mit einem unglaublichen Blick über Frankfurt. Außerdem wurde mir ein Mentor zugeteilt, der sich um mich kümmerte, weiterhalf, wenn es Fragen gab und mich in seinen Arbeitsprozess mit einband. Ich konnte natürlich auch jederzeit andere Anwälte nach Aufgaben fragen und war immer gut beschäftigt. Nach meinen ersten Tagen habe ich dann sogar angefangen eigene Vorschläge zu unterbreiten und habe mich getraut – aufgrund des familiären Klimas – auch eigene Anregungen einzubringen. Am Ende des Praktikums hatte ich dann auch die Möglichkeit meine Ideen und Anregungen in einer Konferenz mit dem Managing Partner der Kanzlei und der Geschäftsführerin der DGAN GmbH vorzutragen. Diese Erfahrung war sehr bereichernd und gleichzeitig überaus spannend.
Allein, dass man mir dieses große Vertrauen entgegenbrachte, hat mich sehr geehrt! Natürlich bin ich auch anderen Tätigkeiten nachgegangen. Darunter fallen Rechercheaufgaben zu Rechtsfragen, über die ich Aktenvermerke schrieb, das Übersetzen von französischen und englischen Schriftstücken ins Deutsche und umgekehrt und viele andere spannende Aufgaben.
Das Arbeitsklima war freundschaftlich, man arbeitete mit offenen Türen. So hatte ich auch als Neuling keine Hemmungen, einfach in ein Büro einzutreten und meine Fragen loszuwerden, die immer gerne und sehr ausführlich beantwortet wurden.

Die Events der Kanzlei
Morgan Lewis bot mir ein interessantes Rahmenprogramm zu meinem Praktikum. Besonders toll waren die regelmäßigen Veranstaltungen der Kanzlei. Nicht nur, dass man jede Woche einmal zusammen Fußball in einer von der Kanzlei angemieteten Fußball Indoor Halle spielen konnte, oder jeden Freitag zusammen bei original französischem Käse und Wein (dem so genannten „Wine & Cheese“) den Abend in gemütlicher Runde, in der man die Anwälte von ihrer privaten Seite kennenlernen und auch über Privates mit ihnen plaudern konnte, hat ausklingen lassen, sondern auch die zahlreichen Empfänge und Mandanten Meetings, die in der Regel direkt in der Kanzlei stattgefunden haben.
Ganz besonders reizvoll waren auch die internen Fortbildungen. So gab es regelmäßige „Englisch-Coachings“ und ein sehr spannendes Ein-Tages-Seminar der „Frankfurt School of Finance & Management“, das wie alle Seminare direkt in der Kanzlei abgehalten wurde und mir einen Einblick in die „Internationale Bilanzkunde“ ermöglichte.

Büro hüten bis Mitternacht?
Besonders überrascht hat mich die lockere, freundliche Atmosphäre, die bei Morgan Lewis herrscht. Damit hätte ich nie gerechnet. Hier wird zwar wirklich sehr viel gearbeitet – allerdings trifft es definitiv nicht zu, dass vor Mitternacht niemand das Büro verlässt! Die Anwälte hatten immer Zeit für ein kurzes privates Gespräch oder um bei Problemen zu helfen
Ich kann das Praktikum wirklich jedem empfehlen – auch denjenigen, die sich eine Arbeit in einer Großkanzlei bislang nicht vorstellen können. Denn man lernt sehr viel, verliert Vorurteile, bekommt einen guten Einblick in die Tätigkeit und lernt darüber hinaus nette Leute kennen – von Praktikanten über Referendare bis zu Anwälten. Und wenn man später als Referendar oder Anwalt bei Morgan Lewis arbeiten möchte, so ist es sicherlich hilfreich, wenn man durch das Praktikum bereits den einen oder anderen Kontakt knüpfen konnte.

Fazit
Ich habe mich in der Kanzlei sehr wohlgefühlt. Die gewonnenen Einblicke haben mich nachhaltig geprägt und werden mir positiv in Erinnerung bleiben. Ich kann nur jedem Jura-Studenten empfehlen, sich frühzeitig nach Praktika umzusehen, um Erfahrungen zu sammeln und sich darüber im Klaren zu werden, welche beruflichen Optionen in Betracht kommen. Morgan Lewis rockt! ;)

Veröffentlicht von on Mai 16th, 2011 und gespeichert unter AUSBILDUNG. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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