Alex im Irrenhaus

NEU: Aus dem Tagebuch eines Jura-Studenten

Liebes Tagebuch,

mein Name ist Alexander und ich studiere im siebten Semester Rechtswissenschaften. Du kannst mich wie meine Freunde einfach Alex nennen. Anders als meine Vorgängerinnen, bin ich also männlich. Das bedeutet auch, dass es sich bei meinem ersten Tagbucheintrag um eine der ersten Gleichstellungen von Mann und Frau handelt und nicht umgekehrt. Du lässt mir also eine ganz besondere Ehre zuteil werden. Ich freue mich darüber, diesen Neuanfang mit dir zu schreiben. Dass ich im siebten Semester studiere, hat übrigens auch mit einem Neuanfang zu tun. Ich habe gerade mit der Examensvorbereitung angefangen. Und dabei kann ich nur sagen, dass mir vieles, was ich in den letzten drei Jahren mühsam für Klausuren gelernt habe, beim Wiederholen, wie neu vorkommt. Neu ist auch, dass ich einer von den wenigen bin, die an meiner Universität mit dem Ex-o-Rep Programm (Examen ohne Repetitor) auf das Staatsexamen lernen. Das heißt ohne privaten Repetitor und weitestgehend selbständig. Als Kontrolle habe ich nur meine Lerngruppe. Ich ahne, dass du mich jetzt für einen krassen Überflieger hältst, der immer nur neun Punkte und mehr in seinen Klausuren schreibt. Nein, liebes Tagebuch, da hast du dich getäuscht. Ich bin nichts weiter als einer der vielen durchschnittlichen Studenten. Und bevor du mir die Frage nach dem Warum stellst, hier gleich die Antwort: Weil es für mich persönlich besser ist! Ich war mehrmals beim Repetitor und habe dort Probe gehört. Das war zwar besser als in den meisten Vorlesungen– im Gegensatz zu Professoren sind die meisten Repetitoren didaktisch begabt– aber ich fühlte mich wie in einem Irrenhaus. Lauter Studierende, die sich nach einer Weile nur noch erzählen können, wie schwer und schlimm ihr Leben gerade ist. Das war Weltuntergangsstimmung. In dem Wissen, dass ich diese Stimmung auch alleine erzeugen kann, habe ich auf einen Repetitor verzichtet. Stattdessen habe ich nun das Glück mit meiner Lerngruppe eine Schicksalsgemeinschaft gefunden zu haben, mit der ich die unvermeidlichen Höhen und Tiefen der Examensvorbereitung genießen kann. Ich will an dieser Stelle auch deutlich machen, dass die privaten Repetitoren für viele Studierende eine sehr gute Sache sind. Ich glaube aber, dass ich persönlich mit dem jetzigen Programm viel mehr Eigenverantwortung beim Lernen habe. Ob es letztlich besser ist, wird sich zeigen. Es ist auf jeden Fall günstiger. Ich bete jeden Tag zum lieben Gott, dass ich mich gerade nicht in der größten Selbstbetrugsphase meines Lebens befinde und den falschen Weg gewählt habe. Keine Neuheit ist es übrigens, wenn ich dir sage, dass die Universitäten seit mehr als hundert Jahren an der misslichen Lage von Studenten in der Examensvorbereitung nichts ändern und häufig der private Repetitor nötig ist. Das ist schlichtweg dilettantisch! Aber ein neues Jahr – ein neuer Anfang, für alle. Vor mir liegen viele weiße Blätter, die ich beschreiben werde.

Dein Alex

Veröffentlicht von on Jan 23rd, 2012 und gespeichert unter ALEX, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

1 Antwort for “Alex im Irrenhaus”

  1. Nina sagt:

    Viel Glück, lieber Alex, sowohl fürs Tagebuchschreiben als auch für die Examensvorbereitung! Einen Leitspruch für dich auf deinem Weg: „Am Ende ist alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.“ ;)

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