Im Namen des Lesers

In der Rechtssache „Auf Bewährung“ von Robert Pragst
erschienen bei dtv, 2011,

ergeht folgendes Urteil: Unbedingt lesen!

Aus den Gründen:

lit-stosno-pragst-auf-bewahrungAuf 232 Seiten schildert der Berliner Richter Robert Pragst sein Jahr bei der Staatsanwaltschaft in Moabit, welches er dort im Rahmen seiner Richterausbildung verbringt. Wer richten will, muss leiden – so jedenfalls erscheint es, als der junge und unerfahrene Jurist damit beginnt, verschnürte Stapel von Aktenbergen, liebevoll „Gürteltiere“ genannt, zu bändigen. Obwohl sein Berufswunsch Zivilrichter ist und er mit Strafrecht eher wenig am Hut hat, muss er für gewisse Zeit als Vertreter der Anklage tätig werden und wird von da an tagtäglich mit den Abgründen der menschlichen Seele konfrontiert.

Seine Erlebnisse während des Ausbildungsjahres bei der Staatsanwaltschaft schildert Pragst in seinem Buch mit Spannung und Witz. Im Laufe der Erzählung wechselt die Perspektive häufig: In einem Kapitel erläutert der Autor, wie er mit Hilfe von Standardverfügungen Herr über die sich stapelnden Aktenberge wird; im nächsten Kapitel erfährt der Leser Hintergründe zur Entwicklung der DNA-Analyse und in einem weiteren Kapitel schließt sich der Kreis, als eben diese Beweissicherungstechnik zur Aufklärung eines Raubdelikts beiträgt. Genau dieser Fall landet schlussendlich neben den Gürteltieren auf dem Schreibtisch von Robert Pragst. Die Entwicklung des Falls wird zum einen aus der Sicht des Autors und zum anderen aus Opfer- und Tätersicht dargestellt. Die Schicksale von Opfern und Tätern seiner Fälle lassen den angehenden Richter nicht kalt und so sind sie es, die den Rahmen der ansonsten amüsanten Schilderung seines Alltags bilden.

Die Erlebnisse zwischen Aktenbergen und Gerichtssaal sind spannend und schwungvoll erzählt. Trotz der ernsthaften Materie bietet das Buch so mache Stelle zum Schmunzeln – ob es nun die Gürteltiere sind oder die Bezeichnung eines freundlich wirkenden, jedoch überaus scharf urteilenden Richters als „lächelnde Guillotine“ – Robert Pragst konnte sich seinen Humor trotz der erlebten Auswüchse von Kriminalität bewahren. Als er eine Kollegin auffordert, schnell anzuklagen und nicht „so dicke Eier auszubrüten“, klärt diese ihn darüber auf, dass nur aus dicken Eiern dicke Anklagen werden können. „Auf Bewährung“ ist allerdings weder eine dicke Anklage, noch ein dickes Ei; auf jeden Fall aber ist es ein dickes Lesevergnügen. Somit gehört es in jede gute Bibliothek und nicht nur in die der Staatsanwaltschaft Moabit!

Kostenentscheidung: Die kosten der Anschaffung tragen die Käufer oder Schenker dieses Buches.

Vollstreckbarkeitsentscheidung: Trotz dieses Urteils darf sich natürlich jeder Leser sein eigenes bilden. Dafür muss er natürlich erst einmal dieses Urteil vollstrecken…viel Vergnügen dabei!

Katharina Stosno,

Literatur-Richterin in der Justament-Redaktion

Rechtsmittelbelehrung: Leserinnen und Leser dieses Buches können jederzeit auf dieser Seite über die Kommentarfunktion ihre abweichende oder auch zustimmende Meinung zum Urteil des Justament-Literaturgerichts zum Besten geben.

Robert Pragst
Auf Bewährung. Mein Jahr als Staatsanwalt
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag 2011
232 Seiten, 14,90 €
ISBN-10: 342324903X

Veröffentlicht von on Feb 27th, 2012 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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