Rücksichtslos emotional

Maike Rosa Vogel verblüfft auf ihrem zweiten Album „Unvollkommen“

Thomas Claer

scheiben-maike-rosa-vogel-unvollkommenEs gibt sie noch, die Liedermacher. Nur ganz vereinzelt zwar, doch manchmal sind sie sogar jung und weiblich und haben einen Namen, der so vollkommen klingt, als ob er ausgedacht wäre, es aber gar nicht ist. Maike Rosa Vogel hieß schon so, als sie 1978 in einem sozialistischen Elternhaus in Frankfurt am Main das Licht der Welt erblickte, wobei für ihren zweiten Vornamen niemand anders als Rosa Luxemburg Pate stand. Und aufgewachsen ist sie, was tiefe Spuren hinterlassen hat, mit der Musik von Wolf Biermann und Franz-Josef Degenhardt. Sie hat die Schule vorzeitig abgebrochen, später als Postbotin, Kellnerin und Fahrradkurier gearbeitet und dabei immer Musik gemacht. Was für eine Biographie! Irgendwann besuchte sie die Popakademie in Mannheim und ist danach in Berlin gelandet. Dort ist im vorigen Jahr nach „Golden“ (2008) nun ihr zweites Album „Unvollkommen“ erschienen, produziert von keinem Geringeren als Sven Regener, der ihr bekennender Fan wurde und sie auch gleich als Vorprogramm für die letzte Element Of Crime-Tour engagiert hat. Niemand weiß, was ohne diesen prominenten Mentor aus ihr geworden wäre. Doch ist es wohl ein Glücksfall, wie es gekommen ist, denn Maike Rosa Vogel fällt in jeder Hinsicht aus dem Rahmen. So wie ihre Kindheits-Idole vermag sie allein mit ihrer akustischen Gitarre, die im Stil der Protestsänger nicht gezupft, sondern geschlagen wird, mehr Krach zu machen als so manche vielköpfige Band. Ihre mit leicht nasaler Stimme immer etwas rotzig vorgetragen Songs handeln, da nimmt die Sängerin kein Blatt vor den Mund, immer nur von ihr selbst, was aber gleichwohl, zumindest in ihren Augen, höchste politische Relevanz besitzt. Die Personen in ihnen erkennen sich daran, dass sie sich „falsch in dieser Welt“ fühlen. Und „Menschen werden nicht geliebt, weil sie so schön sind, sondern weil sie eine eigene Welt in sich tragen.“ Ja, so wünscht man es sich zumindest. Die rücksichtslos emotionalen, manchmal sehr direkten, oft aber auch ziemlich verschwurbelten und in all ihrer Ausführlichkeit nicht immer vollständig erschließbaren Texte mögen für manchen „mieser Pädagogikstudentinnen-Pseudo-Emokram“ sein (so heißt es in einem Kommentar auf YouTube). Und doch hat Maike Rosa Vogel auf „Unvollkommen“ eine Musik geschaffen, die Menschen „tief drin berühren“ will. Und es auch tut. Das Urteil lautet: voll befriedigend (12 Punkte).

Maike Rosa Vogel
Unvollkommen
Our Choice (Rough Trade) 2011
Ca. € 17,-
ASIN: B004FGWF7G

Veröffentlicht von on März 26th, 2012 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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