Der „Börsenguru“ Max Otte demonstriert in seinem Buch „Endlich mit Aktien Geld verdienen“ die reine Lehre des Value Investings
Thomas Claer
Klappern gehört natürlich zum Handwerk. Wer zu leise ist, wird gar nicht erst wahrgenommen. Selbst ein so versierter und allseits geschätzter Experte wie der Wormser BWL-Proferssor Max Otte, einem breiten Publikum als einsamer Prophet der seit 2007 währenden Finanzkrise bekanntgeworden und seitdem präsent auf allen Fernsehkanälen, ist da keine Ausnahme. Der Ruhm muss gepflegt werden, und sei es durch reißerische Buchtitel mit einer an Boulevardzeitungen erinnernden Schriftgröße und knallharte Botschaften auf dem Umschlag. Von innen ist das Buch „Endlich mit „Aktien Geld verdienen“ dann aber längst nicht so grobkörnig, wie es der äußere Anschein suggeriert. Otte liefert eine fundierte Anleitung zum überlegten und einträglichen Operieren an der Börse, die anders als die Werke mancher Konkurrenten sehr schnell zum entscheidenden Punkt gelangt, der Auswahl aussichtsreicher Einzelwerte, in die zu investieren sich lohnt. Das Wozu und Warum der Aktienanlage setzt er bei seinen Lesern mehr oder weniger als bekannt voraus, da reichen ein paar allgemeine Hinweise in der Einleitung und im ersten Kapitel.
Welche „Papiere“ sollte man also kaufen? Das ist, wenn man es so anfängt wie Max Otte, keinesfalls eine leichte Sache. Zunächst kommt man noch ganz gut mit, wenn er zwischen Buchwert und Ertragswert eines Unternehmens unterscheidet. Aber sobald die ersten betriebswirtschaftlichen Formeln ins Spiel kommen, wird man sehr genau daran erinnert, warum man damals nie BWL studieren wollte. Wenn einem später auch nach mehrmaliger geduldiger Lektüre an manchen Stellen einfach kein Licht aufgehen will, ist es immerhin beruhigend zu erfahren, dass es etlichen anderen Lesern, glaubt man ihren Kommentaren auf der Amazon-Website, bei der Lektüre ähnlich ergangen ist. Manche gehen sogar so weit, dem „Börsenguru“ fachliche Fehler zu unterstellen. Auch wenn das angesichts der Vielzahl seiner Publikationen in kurzer Zeit noch nicht einmal verwunderlich wäre, würden wir uns ein solches Urteil niemals anmaßen wollen.
Die gute Nachricht für alle Anleger ist aber diese: Es kommt überhaupt nicht drauf an. Zwar gibt es zahlreiche, zum Teil widersprüchliche Strategien und Theorien darüber, wie sich an der Börse erfolgreich agieren lässt. Und das Value Investing gehört sicherlich zu den besseren unter ihnen, denn es ist vernünftig und plausibel und gibt einem das (allerdings manchmal trügerische) Gefühl, die Dinge irgendwie im Griff zu haben. Aber die magische Formel für die garantiert hohen Gewinne an der Börse, die gibt es nun einmal nicht. Und jemand, der, sagen wir, eine einfachere Variante des Value Investings bevorzugt, die ohne betriebswirtschaftliche Formeln auskommt, kann damit auch auf lange Sicht mindestens ebenso gut fahren wie mit den Formeln von Prof. Max Otte. Und manche Trendfolger oder Chart- oder Zyklentheoretiker schaffen das auch irgendwie, jeder auf seine Weise. Nein, ganz beliebig ist die Strategie, von der man sich leiten lässt, zwar nicht, doch sind die Faktoren Glück und vor allem Geduld an der Börse am Ende doch mächtiger als alle Theorie, denn im Zweifel laufen die Kurse dann doch anders, als man denkt, zumindest kurzfristig. Doch lassen sich vor allem durch geschickte Streuung der Anlagen und die Beachtung bestimmter Vorsichtsregeln die systemimmanenten Risiken auf lange Sicht noch halbwegs beherrschen.
Auch hierüber enthält das Buch viel Wissenswertes. Besondere Anerkennung verdient Otte dafür, dass er sich entgegen der einhelligen Überzeugung fast sämtlicher Börsenexperten gegen den Einsatz von Stop-Loss-Marken wendet. Wer sich mit großem gedanklichem Aufwand für ein Investment entschieden hat, der sollte an ihm auch festhalten, wenn die Kurse fallen, und dann natürlich erst recht zugreifen und seine Position aufstocken, denn langfristig wird der Markt ihm wahrscheinlich Recht geben. (Andere behaupten das Gegenteil und haben dafür auch gute Gründe. Jeder sollte ganz einfach das tun, was ihm am meisten einleuchtet.)
Am Ende des Buches erläutert Max Otte – wohl nicht ganz ohne die Absicht der Eigenwerbung – wie er seinen durchaus gut performenden Fonds zu managen pflegt. Selbstkritisch räumt er dabei auch immer wieder „Fehler“ ein, meistens den, diese oder jene Position zu früh verkauft und in andere vermeintlich aussichtsreichere Werte umgeschichtet zu haben. Manchmal hat das zwar gut funktioniert, manchmal aber auch nicht. (Wie das eben so ist an der Börse.) Aber dass ausgerechnet ein so erfahrener Investor wie Otte in seinem Fonds die simple Börsenweisheit des „Hin und her macht Taschen leer“ so systematisch missachtet, erstaunt dann doch. Wofür sollten die Anleger ihren „Guru“ aber schließlich sonst bezahlen, wenn er den Fonds nur alle Jubeljahre mal umschichten würde. Als Fondsmanager ist man nun einmal ein Getriebener seiner Kunden und das nicht nur in der Finanzindustrie (im engeren Sinne). Dabei ist es keineswegs abwegig zu behaupten: Durch weniger häufiges Umschichten und mehr Liquiditätsmanagement hätte der Fonds von Max Otte sehr wahrscheinlich eine noch bessere Performance erzielt.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Max Otte eine über weite Strecken, wenn auch nicht durchgängig, gut lesbare Anleitung zum Value Investing geschrieben hat, aus der wir Kleinanleger großen Nutzen ziehen können. Doch besteht kein Anlass, seine „Methode Prof. Max Otte“ (so nennt er sie wirklich!) zu verabsolutieren, sondern vielmehr dazu, sie kritisch zu hinterfragen, um so idealerweise auch die eigene Vorgehensweise optimieren zu können. Wer sich überhaupt nicht eigenständig mit dem Thema Geldanlage beschäftigen möchte, dessen Geld ist in Prof. Ottes Fonds sicherlich besser aufgehoben als in manchem anderen. Wer aber dieses oder ein ähnlich konzipiertes Buch mit wachem Bewusstsein gelesen hat, wer sich fortwährend eigene Gedanken zum Thema Geldanlage macht und sich schließlich auch noch zutraut, die eigenen Emotionen unter Kontrolle zu halten, der braucht keinen Fonds, denn er kann es auch allein.
Max Otte
Endlich mit Aktien Geld verdienen. Die Strategien und Techniken, die Erfolg versprechen
FinanzBuch Verlag 2012
304 Seiten, EUR 22,99
ISBN 978-3-3898796316
Justament-Rezensent Thomas Claer ist Autor des Buches „Auf eigene Faust. Aktiensparen für Kleinanleger“, BoD 2012, 132 Seiten, EUR 10,00, ISBN 978-3844818147.