Erlebnisbericht von der Wahlstation in Dubai
Bahram Ardehali
In der Zeit vom 01.11.2012 bis zum 31.01.2013 verbrachte ich meine Wahlstation bei Rödl & Partner in Dubai, wo ich Gelegenheit hatte tiefe Einblicke in das lokale Rechts- und Gesellschaftssystem zu bekommen. Dubai ist das zweitgrößte Emirat der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und möglicherweise der wichtigste Wirtschaftsstandort im Nahen und Mittleren Osten. Das Emirat ist für viele Unternehmen das Tor zur Erschließung der Region und erfreut sich auch jenseits des Touristensektors einer steigenden Attraktivität. Die VAE, insbesondere Dubai, werden von deutschen Unternehmen häufig als Standort zur Erschließung der regionalen Märkte und zum Aufbau von Vertriebsstrukturen in Betracht gezogen. Das Büro betreut überwiegend deutsche Unternehmen und begleitet diese bei ihrem bevorstehenden Markteintritt oder bei der Teilnahme von staatlichen Ausschreibungen. Die Besonderheiten des lokalen Rechtssystems machen eine Rechtsberatung für deutsche Unternehmen unausweichlich, sofern der Standortaufbau erfolgreich und reibungslos stattfinden soll. Dabei wird gerne auf deutsche Juristen zurückgegriffen, um sprachliche Barrieren zu überwinden und weil diese neben dem lokalen Recht auch das deutsche Rechtssystem im Blick haben. Dadurch wird eine individualisierte Beratung gewährleistet.
Während meiner Wahlstation hatte ich mit dem Straf- und Zivilrecht der VAE, dem lokalen Handelsrecht, der Schiedsgerichtsbarkeit, dem gewerblichen Rechtsschutz, dem internationalen Steuerrecht (DBA), dem Geldwäschegesetz, sowie dem lokalen Gesellschaftsrecht Berührung, deren Gesetzestexte alle in englischer Sprache verfügbar waren. Als Referendar wurde ich zu Fragestellungen der täglichen Beratungspraxis aktiv mit eingebunden. Dazu zählten neben der selbstständigen Bearbeitung von Sachverhalten auch die Teilnahme an Mandantengesprächen und Telefonkonferenzen sowie die Erledigung täglicher Behördengänge und die Korrespondenz mit den lokalen Prozessanwälten. Vorrangig haben die Mandate Gesellschaftsgründungen und alle damit im Zusammenhang stehenden Fragestellungen zum Gegenstand. Dabei begründen die Besonderheiten des lokalen Gesellschaftsrechts bereits die ersten Hürden. Das Gesellschaftsrecht in den VAE ist, wie in der Region üblich, geprägt vom sog. Lokalbeteiligungsprinzip, wonach eine Beteiligung der lokalen Bevölkerung bei jedwedem wirtschaftlichen Engagement erforderlich ist. Bei einer Gesellschaftsgründung müssen i. d. R. mindestens 51 % der Gesellschaftsanteile in Hand eines emiratischen Staatsbürgers, eines „Local Partners“, sein. Schon der Auswahl des richtigen Partners und die mit diesem zu treffenden schuldrechtlichen Nebenvereinbarungen zur Einschränkung seiner Mehrheitsrechte kommt eine erhebliche Bedeutung zu.
Ausgenommen von dem Erfordernis eines Local Partners sind Gesellschaftsgründungen in einer der zahlreichen sog. Freizonen. Diese Freizonen sind rechtlich verselbständigte Sonderzonen mit einer eigenen Rechtsordnung und einer selbstständigen Verwaltung. Die Rechtsordnungen in den Freizonen befreien von dem Erfordernis eines Local Partners und bieten die Möglichkeit eine Gesellschaft zu gründen, deren Anteile sich zu 100 % in ausländischer Hand befinden.
Von Abu Dhabi bis nach Ras Al Khaimah existieren in den VAE zahlreiche Freizonen, die je nach Lage, Kosten (bspw. Gründungskosten und Lizenzgebühren) und Spezialisierung variieren. Je nach Art der geplanten Tätigkeit und des Budgets kann eine andere Freizone in den VAE in Betracht kommen. Die Auswahl des Standortes, der zukünftigen Gesellschaftsform (rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft oder unselbstständige Zweigniederlassung mit weiteren Erfordernissen) und insbesondere die Frage, ob Freizonen- oder „Mainland“ Gesellschaft stellen einen ersten Beratungsschwerpunkt dar, woran im unmittelbaren Anschluss das Gründungsverfahren anknüpft. Behördengänge in gesellschaftsrechtlichen, arbeitsrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten sowie die Kommunikationen mit den jeweiligen Entscheidungsträgern in den jeweiligen Behörden zählen hierbei zur Tagesordnung. Auch die Überprüfung von Handelsvertreterverträgen spielt in der Beratungspraxis eine wichtige Rolle. Das lokale Handelsvertreterrecht ist ebenfalls geprägt vom Lokalbeteiligungsprinzip. Neben dem Erfordernis einen Einheimischen als Handelsvertreter zu benennen, wird das emiratische Handelsvertreterrecht dominiert von Bestimmungen zum Schutze der Handelsvertreter, die sich auf ein Unternehmen sehr nachteilhaft auswirken. Insbesondere die Kündigung eines Handelsvertretervertrages ist nur unter besonderen Bedingungen möglich. Neben der juristischen Tätigkeit konnte ich mich auch in andere interessante Gebiete einarbeiten, wie zum Beispiel die Solarenergiebranche, die sich regionsübergreifend im Wachstum befindet. Neben der Stationstätigkeit erwartet einen in Dubai ein abwechslungs- und abenteuerreiches Freizeitprogramm, das von einer Wüstensafari über Beachclubs bis hin zu Skifahren in einer künstlichen Skihalle reicht. Dies sollte auch nicht verwundern, wenn man dort seine Station macht, wo andere Urlaub machen.
Die Wahlstation ist rückblickend als außerordentlich lehrreich und
bereichernd zu bezeichnen. Neben den Einblicken in das Rechts- und Kultursystem sowie der Verbesserung der englischen Sprache, bekommt man auch die Gelegenheit, entsprechend den eigenen Interessen Schwerpunkte zu setzen und sich zu entfalten. Ein Dank geht an dieser Stelle an die hilfsbereiten Kollegen bei Rödl & Partner für die prägende Ausbildung und die nette Zusammenarbeit. Besonderer Dank geht an meine Ausbilderin Rain Sabine Reindel in Dubai und an Herrn Dr. Matthias Weber in Nürnberg für die Stationsvermittlung.