Von der Vergangenheit eingeholt

Ein Stasi-IM bekennt sich zu seiner Schuld – indem er einen Roman schreibt

Benedikt Vallendar

stasiratteKöln / Berlin – Außer Mord verjährt in Deutschland doch eigentlich alles, wird sich Jana Döhring gedacht haben. Seit mehreren Jahren lebt die Anwaltsgattin in Köln, als sie eines Tages von ihrer DDR-Vergangenheit eingeholt wird. Ein ehemaliger Kollege hat herausgefunden, dass er über einen längeren Zeitpunkt von Jana für die Stasi bespitzelt worden war und traktiert sie fortan monatelang mit Postkarten mit der Aufschrift: „Schöne Grüße an Jana, meine Stasi-Ratte“. Was sie bis dahin verschwiegen hatte: Jana Döhring war ein inoffizieller Mitarbeiter (IM) des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Doch sie findet den Mut, offenbart sich ihrer Familie, nachdem sie es nicht mehr ertragen kann, wie eine Besessene immer als erste am Gartentor zu sein, um die ominösen Karten aus dem Briefkasten zu fischen. Sie bekennt sich zu ihrer Schuld, bittet ihr früheres Opfer um Verzeihung, und sie schreibt einen Roman über das, was sich Mitte der Achtzigerjahre in einer ostberliner Hotelbar zugetragen hat.  Am Ende meint sogar der Richter am Kölner Amtsgericht, wo der Fall als Unterlassungsklage schließlich landet, man müsse die Vergangenheit irgendwann ruhen lassen.

Das Buch ist zuvörderst eine Auseinandersetzung mit individueller Schuld. Doch nicht nur. Es wirft zugleich die  Frage auf, wie Menschen in die Fänge eines diktatorischen Systems gelangen konnten. Ein gelungenes Psychogramm über die untergegangene DDR und Menschen, die dort gelebt haben. „Knapp 90 Prozent des Buches sind wahr, nur zehn Prozent Fiktion“, sagt der herausgebende Hartriegel Verlag in Köln. Aus rein „verlegerischen Gründen“ habe sich die Geschäftsleitung entschieden, das Buch „Roman“ zu nennen, der es in der Tat wert ist, gelesen zu werden.

Döhring, Jana
Stasiratte
(Hartriegel Verlag Köln 2013) ISBN: 978-3-9815077-0-6
gebunden
ca. 232 S. – 20,5 x 12,5 cm

Veröffentlicht von on Aug. 12th, 2013 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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