„Der Nachtwandler“ – ein Thriller von Sebastian Fitzek
Katharina Stosno
Wenn man die Dinge wie im Schlaf erledigt, ist das eigentlich ein Grund zur Freude. Nicht jedoch für Leon Nader: In seinem Leben sieht das etwas anders aus. Seit seiner Jugend hat der Architekt Probleme mit seinem Schlaf- beziehungsweise Wachzustand; je nachdem wie man es sehen will. Er glaubt geheilt zu sein, bis er sich eines Nachts wieder in einem Wachtraum gefangen sieht. Seine Frau Natalie verschwindet daraufhin aus der gemeinsamen Wohnung – ohne Abschied, ohne Erklärung, ohne Spuren.
Leon kann sich die Umstände ihres Verschwindens nicht erklären und versucht mit Hilfe seiner Freunde und Verwandten Licht ins Dunkel zu bringen. So richtig gelingen will ihm dies nicht und deshalb sucht er schließlich Rat bei seinem Psychiater Dr. Volwarth, der Leon bereits in der Vergangenheit erfolgreich behandelt hatte. Doch auch Dr. Volwarth kann nicht helfen. Nun verdichten sich die Hinweise darauf, dass Leons Krankheit wieder ausgebrochen ist und noch viel schlimmer – er seiner Frau etwas angetan haben könnte. Davon ist jedenfalls Leon überzeugt. Aus diesem Grund fixiert er eine Kamera an seiner Stirn, welche Leons nächtliche Aktivitäten festhalten soll. Die Aufzeichnungen scheinen seine Befürchtungen zu bestätigen: Das Video dokumentiert, wie Leon im Schlaf eine geheime Tür hinter einem Schrank freilegt und hinab in einen dunklen Schacht steigt. „Siehst du das Tor , dort in der Wand? Öffnet sich nur durch Geisterhand.“
Im Verlauf der Handlung erfährt man immer mehr über Leons bisheriges Leben und sein Schicksal, das ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er eigentlich nicht sein will. Man lernt seine wichtigsten Bezugspersonen kennen und glaubt, sich ein Bild von Leons Leben und einen Reim auf die Geschehnisse machen zu können. Doch es geht dem Leser wie dem Nachtwandler – je wacher man glaubt zu sein, je tiefer ist man im Traum gefangen.
Durch den Wechsel von Vor- und Rückblenden, Handlungsorten und Personen schafft Sebastian Fitzek eine Spannung, die bis zur letzten Seite anhält. Die Handlung scheint auf den ersten Blick voller Widersprüche und doch ist sie schlau durchdacht und schlüssig; dies kann man allerdings erst rückblickend feststellen. Trotz fortschreitender Verwirrungen hat man nie das Gefühl, überfordert zu sein. Im Gegenteil: Der Leser ist gefordert mitzudenken und wach zu beiben bis sich alles auflöst und man das Buch am liebsten noch einmal lesen möchte.
„Aber die Angst vor dem Irrationalen hinter ihm und die Hoffnung auf ein Entkommen aus diesem Dunkellabyrinth trieben ihn voran.“ Und natürlich die Neugier, die in jedem von uns steckt. Lieber Leser, ich will sie Dir lassen und verrate das Ende nicht. Einzig und allein ist sicher: Was auch immer Du Dir in Deinen kühnsten Träumen ausmalst – es kommt anders.
Sebastian Fitzek
Der Nachtwandler
Knaur TB 2013
320 Seiten, 9,99 EUR
ISBN-10: 3426503743