PR-Mann der Bonner Republik

Vor 50 Jahren, am 12. Dezember 1963, starb Theodor Heuss, der erste deutsche Bundespräsident – sein Leben stand für den Pluralismus, dem sich die Verfasser des Grundgesetzes verpflichtet fühlten

Benedikt Vallendar

Theodor Heuss als Briefmarke (Foto: Wikipedia)

Theodor Heuss als Briefmarke (Foto: Wikipedia)

Bonn – Ein Studium der Nationalökonomie, eine Dissertation über „Weinbau am Neckar“ und Begeisterung für publizistisches Wirken. Sie bildeten das Amalgam eines langen politischen Lebens, das Theodor Heuss, Beamtensohn aus dem Badischen, bis an die Spitze der alten Bundesrepublik bringen sollte. Auf Bildern aus den Fünfzigerjahren wirkt er oft wie ein Biedermann. Doch Heuss war weit mehr, ein kreativer Querdenker, der weltoffen und sprachlich gewandt auf vielerlei Parkett zu Hause war. In der Weimarer Republik saß Heuss für die Deutsche Demokratische Partei (DDP), einen FDP-Vorläufer, im Reichstag. Wegen einer Schulterverletzung, die er sich kurz nach dem Abitur zugezogen hatte, hatte er keinen Militärdienst ableisten müssen. Das Schicksal Millionen Gleichaltriger auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges blieb ihm erspart.

Der Weg nach dem Studium führte den 1884 Geborenen zunächst in den Journalismus, wo er es binnen weniger Jahre zum Chefredakteur der „Neckar Zeitung“, eines liberalen Blattes mit überregionaler Bedeutung brachte. Dort bezog er bereits mit 29 Jahren das Endgehalt eines höheren Beamten. Es folgten Stationen als freiberuflicher Dozent bei der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, wo Heuss Kontakte knüpfte, die ihn zeitlebens begleiteten. Die Deutsche Hochschule für Politik ging später im Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin auf, das zeitweilig im Ruf stand, eine „linke Kaderschmiede“ zu sein. Als Heuss` wichtigste Mentoren gelten Friedrich Naumann, der Vater des modernen Liberalismus, und Lujo Brentano, einem Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft.

Variatio delectat – Vielfalt erfreut

Zeitlebens war Heuss ein Suchender, jemand, der sich dem politischen Liberalismus verpflichtet fühlte, leider auch antisemitische Töne erzeugte und gleichzeitig mit den schönen Künsten liebäugelte. „Ich komme auch gut mit mir selbst zurecht“, hat Heuss einmal über sich selbst gesagt. Eine Fähigkeit, die ihn die Wirren des Nationalsozialismus fast unbeschadet überstehen ließen. Heuss ernährte seine Familie zeitweilig mit dem Verfassen von Zeitungsartikeln, teilweise unter Pseudonym, da Hitler persönlich die Veröffentlichung von Beiträgen unter seinem Namen verboten hatte. Seine Frau Elly feierte derweil Erfolge als Werbetexterin.

Nach dem Krieg gehörte Heuss zur kleinen Garde Politiker, mit denen der westdeutsche Staat einen demokratischen Neubeginn wagte. Der hoch gebildete Publizist und Weltbürger wurde erster Kultusminister in Baden-Württemberg, er arbeitete in Bonn an der Ausarbeitung des Grundgesetzes mit und stand kurze Zeit später an der Spitze der neu gegründeten FDP, die fast ein halbes Jahrhundert lang die politischen Geschicke in Deutschland mitbestimmen sollte – bis zu ihrem Rausflug aus dem deutschen Bundestag im September 2013, als auch ein Stück des Erbes von Theodor Heuss verloren gegangen ist.

Aktuelle Literaturempfehlung:

JOACHIM RADKAU
Theodor Heuss

Erscheinungsdatum: 30.09.2013
Fester Einband, 512 Seiten
Preis: 27,90 € (D) / UVP 37,90 sFR (CH) / 28,70 € (A)
ISBN 978-3-446-24355-2
Hanser Verlag

Veröffentlicht von on Dez. 12th, 2013 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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