Aus dem Tagebuch eines Jura-Studenten
Liebes Tagebuch,
ich habe mein Examen bestanden. Bevor ich meine Ergebnisse bekam, habe ich mich immer gefragt, wie ich mich wohl fühlen würde. Große Freude oder tiefe Trauer? Jetzt habe ich ein mittelmäßiges Examen geschrieben. Doch das macht mich nicht traurig, denn ich habe alles in meiner Macht stehende getan, damit mein Examen gut wird. Ich freue mich aber auch nicht, da ich nicht richtig weitermachen kann. Für ein Masterprogramm, bei dem ich mich beworben habe, war meine Examensnote nicht gut genug und auf die Referendarsstellen bewerben sich gerade so viele, dass ich dort, wo ich hin möchte, keine Chance habe auf Anhieb einen Platz zu bekommen. Nun mache ich erst einmal ein Praktikum, damit ich die Zeit bis zum Referendariat sinnvoll überbrücke und etwas Vernünftiges tue.
Das Examensergebnis bewerte ich im Nachhinein sehr relativ. Das liegt an meiner mündlichen Prüfung und der Einsicht in die Gutachten der Korrektoren, die meine Examensklausuren korrigiert haben. In der mündlichen Prüfung wurde meine Note im zivilrechtlichen Teil mit einer falschen Antwort auf eine Frage begründet, die nicht ich, sondern ein Mitprüfling gegeben hatte. Als ich den Prüfer darauf ansprach, wusste dieser nichts darauf zu antworten. Dafür sprang ihm der Vorsitzende zur Seite und wies mich darauf hin, dass die Prüfer auch immer den Gesamteindruck berücksichtigen würden, den eine Prüfungsgruppe erzeugen würde. Diesen Maßstab habe ich wohl in der Prüfungsordnung übersehen. Die Gutachter haben sich mit meinen Klausuren ein leichtes Spiel gemacht. So wird vieles aufgelistet und extrem wenig positive wie negative Kritik geäußert, vor deren Hintergrund ich meine Fehler nachvollziehen könnte. Verbessern kann ich mich damit nicht.
Es bleibt bei mir der Eindruck, dass die Prüfer selbst nicht genau wussten, was sie tun sollten und sich nicht angreifbar machen wollten. Da ich mit der Note und ihrer Begründung nichts anfangen kann, bleibt nur eines. Das Geschehen abhaken und weitermachen. Und falls ich später einmal selbst Prüfer bin, versuche ich es besser zu machen.
Liebes Tagebuch, heute schreibe ich meinen letzten Eintrag. Auch das ist mit dem Bestehen des Examens verbunden. Es ist Zeit, dass ein anderer weiterschreibt. Ich habe gerne geschrieben und freue mich darauf, zu lesen, wer dich fortführt. Wir haben zusammen mit der Zeitschrift Justament viel erlebt und gelernt, dass es hinter dem Examenshorizont viele interessante Dinge gibt. Nach all meinen Tagebucheinträgen liegt nun neben mir ein Stapel beschriebener Tagebuchblätter. Direkt daneben ein neuer Stapel Papier. Wofür der wohl ist?
Dein Alex