RVG Praxiswissen von Norbert Schneider in 2. Auflage
Jens Jenau
Auf der Suche nach Literatur, um sich als Rechtsanwalt mit dem RVG vertraut zu machen, stößt man unweigerlich auf das Werk „RVG Praxiswissen“ des hochgeschätzten Spezialisten im Kosten- und Vergütungsrecht, Rechtsanwalt Norbert Schneider, aus der Nomos Reihe „Die erfolgreiche Anwaltskanzlei“. Ja, man sollte als praktizierender Rechtsanwalt selbst seine Vergütungsrechnungen schreiben können und sie nicht durch Mitarbeiter erstellen lassen. Zu wichtig ist das Thema, und zu groß ist die Gefahr, tatsächlich Gebühren zu verschenken. Das kann und sollte sich niemand leisten.
Die enormen Aktivitäten des Gesetzgebers im Rahmen des Kosten- und Vergütungsrechts bringen bedeutsame Neuerungen mit sich. Insbesondere das 2. KostRMoG führte zu umfassenden wie grundlegenden Änderungen in sämtlichen Kostengesetzen. Zum einen führte die Reform zur lange fälligen Anhebung der Gebührenbeträge der Wahl- und Pflichtanwälte sowie bei allen Festgebühren und Gebührenrahmen bei den Betragsrahmengebühren. Zum anderen schloß der Gesetzgeber im RVG bestehende Lücken und klärte endlich wichtige Auslegungsfragen, zB. zur Terminsgebühr in Verfahren nach Teil 3 VV, zur Zusätzlichen Gebühr oder zur doppelten Postentgeltpauschale. In der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit sind maßgebliche strukturelle Änderungen durchgeführt worden. Nicht zuletzt beeinflussen auch die Änderungen im GNotKG die Gegenstandswertberechnung in der Anwaltsvergütung.
Ferner erfuhr das Prozesskosten- und Beratungshilferecht Änderungen. Zu erwähnen sind etwa die neue Zulässigkeit von Vergütungsvereinbarungen bei der Beratungshilfe oder die Möglichkeit des Gerichts auf Antrag des Rechtsanwalts die Beratungshilfe nachträglich aufzuheben, so dass dieser dann gesetzlich abrechnen kann.
Insofern ist schnell klar, warum die Neuauflage des „RVG Praxiswissen“ erforderlich war, und warum es für jeden Anwalt – insbesondere den jungen Kollegen – unbedingt geboten ist, sich intensiv mit den Fragen der Vergütung seiner Beratungs- und Prozessvertretungsarbeit auseinander zu setzen und vertraut zu machen. Bei einem Stand von Frühjahr 2014 überarbeitete Schneider alle Kapitel des Werks umfassend und pflegte die zwischenzeitlich ergangene neue Rechtsprechung ein.
Und hier setzt das „RVG Praxiswissen“ an. Das 480 seitenstarke Einstiegswerk will die Strukturen und Systematik des RVG aufzeigen und praktisches Grundlagenwissen vermitteln. Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Teil 1 gibt einen Überblick zu den Vergütungsquellen des Rechtsanwalts. Schneider erläutert die Grundlagen auf deren Basis der Anwalt seine Vergütung verlangen kann. Ferner wendet er sich besonders den Voraussetzungen und Inhalten einer zulässigen Vergütungsvereinbarung zu. Mehrere Muster zu Vergütungsvereinbarungen (zB. Stundensatzvereinbarungen, Pauschalvereinbarungen oder die Vereinbarung eines Erfolgshonorars) unterstreichen die Praxistauglichkeit des Werks. Teil 2 erörtert die Grundlagen des Vergütungsrechts, etwa mit lehrreichen Ausführungen zum differenzierten Gebührensystem des RVG, zum Begriff der Angelegenheit, Gegenstandswert und zu den Übergangsvorschriften.
Kern des Handbuchs ist Teil 3 mit seinen aufschlussreichen Erläuterungen der einzelnen Gebühren und Auslagen. Diesen Bereich strukturiert Schneider auf 300 Seiten nach Sachgebieten und Arbeitsbereichen, denen noch die Abschnitte zu den Auslagen und allgemeinen Gebühren vorangestellt sind. Aufgrund ihrer praktischen Bedeutung nehmen die Abrechnung der außergerichtlichen Tätigkeit nebst Abrechnungsfragen der Beratungshilfe großen Raum ein. Intensiv widmet sich der Autor den Tätigkeitsbereichen Zivilrecht u.a. mit der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 15a RVG) und der Terminsgebühr in Verfahren nach Teil 3 VV, bevor die Vertretung in Familiensachen mit den Änderungen des FGG-Reformgesetzes von 2009 folgen. Danach wendet er sich den arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, den steuerrechtlichen Angelegenheiten, der Vertretung in Straf- und Bußgeldsachen, den Insolvenz- und sonstigen Verfahren zu. Besonderes Augenmerk legt Schneider – aufgrund der wichtigen Neuerungen und Änderungen – auf die Vertretung in sozial- und verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. Darüber hinaus sind auch Schiedsgerichtsverfahren, die Verfahren vor den Verfassungsgerichten, vor dem EuGH und dem EGMR bis zu den Themen Zwangsvollstreckung, -versteigerung und -verwaltung erläutert.
Der abschließende vierte Teil ist der Durchsetzung der Vergütung, sowohl gegenüber dem Mandanten als auch gegenüber der Staatskasse bei Prozesskostenhilfe gewidmet. Der nachfolgende Anhang listet mehrere nützliche Gebührentabellen auf.
Während seiner gesamten Ausführungen und Erläuterungen nutzt Schneider 380 Berechnungs- und Musterbeispiele. Alle in der Praxis regelmäßig auftretenden Abrechnungs- und Spezialfragen greift er auf. Grundzüge der Ermittlung des Gegenstandwerts sind ebenso wie die Abrechung mit der Staatskasse und die Durchsetzung der Vergütung gegenüber dem Auftraggeber erläutert. Charakteristisch ist, dass der Autor immer die gesetzliche Vergütung und dem gegenüber die Möglichkeiten einer Vergütungsvereinbarung mit deren Grenzen im Blick hat. Somit gelingt es ihm, mit klarem Stil die teils schwierige Materie verständlich zu erklären. Dabei setzt er beim Leser keine Vorkenntnisse voraus und beschränkt sich auf das Wesentliche. Im Ergebnis ist das „RVG Praxiswissen“ ein sehr probates Mittel, um sich in die Systematik des RVG an sich und in die vielen gesetzlichen Neuerungen im Besonderen einzuarbeiten.
RVG Praxiswissen
Norbert Schneider,
2. Auflage 2014, 480 Seiten, 38,00 €,
Nomos Verlag,
ISBN: 978-3-8329-7604-0