Teil 1: Karl-Theodor zu Guttenberg
Thomas Claer
Er ist der mediale Senkrechstarter schlechthin. Vor ein paar Monaten noch war er der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, nun liegt der bisher jüngste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland (37) laut Politbarometer bereits gleichauf mit unserer Bundeskanzlerin an der Spitze der demoskopisch ermittelbaren Beliebtheit.
Wie kommt das? Zunächst einmal macht Minister zu Guttenberg in den Interviews der Fernseh-Nachrichtensendungen eine ausnehmend gute Figur. Und Politiker im Medienzeitalter müssen vor allem das: eine gute Figur machen, Vertrauen einflößen, glaubhaft den Eindruck erwecken, man habe die Lage im Griff. Ein Politiker, der das nicht kann, ist kein guter Politiker, mag er fachlich noch so brillant sein. Doch nicht nur das: Zusätzlich verfügt der junge zu Guttenberg über die heute so selten gewordene Gabe einer Redegewandtheit, die sich nicht in den immergleichen Floskeln und Sprachschablonensätzen erschöpft, was ihn wohltuend etwa von unserer Bundeskanzlerin oder unserem Außenminister unterscheidet, die stets „der festen Überzeugung sind“ und dergleichen mehr Worthülsen aneinanderreihen. Nicht, dass zu Guttenberg das Phrasendreschen völlig fremd wäre, doch verfügt er – anders als die überwältigende Mehrheit seiner Kolleginnen und Kollegen im Politikbetrieb – über eine eigene Sprache, kann sich vielfältig, präzise und dazu noch allgemeinverständlich ausdrücken.
Hat er diese Eloquenz in seiner juristischen Ausbildung erworben? Man kann es sich kaum vorstellen, wenngleich ihm diese Fähigkeiten, wie Prädikatsexamen und Summa-cum-laude-Dissertation beweisen, offensichtlich nicht zu sehr geschadet haben. (Eine Spur zu auftrumpfend, vor allem für seine Maßstäbe, ist es allerdings, die guten Noten überhaupt auf seiner Homepage zu erwähnen, aber er tut dies vermutlich, um dem gegen ihn gerne erhobenen Vorwurf der Unerfahrenheit und fehlenden Kompetenz zu begegnen.) Nein, das Entscheidende wurde ihm ohne Zweifel von zu Hause mitgegeben: Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg entstammt einem traditionsreichen und begüterten fränkischen Adelsgeschlecht, sein Vater ist ein berühmter Dirigent.
Und wie es vielfach bei blaublütigen Politikern zu beobachten ist, ihr Politikstil ist einfach ein anderer. Wie all die Dohnanyis, Weizsäckers und von Beusts zeigt auch zu Guttenberg wenig Neigung, auf den politischen Gegner einzuschlagen. Für den Wahlkampf im Bierzelt der CSU wäre er wohl nicht unbedingt der Richtige. Immer wieder ermahnt er zur Sachlichkeit und fordert – wie in der Frage einer Arcandor-Rettung –, den Parteienstreit auf dem Rücken der Betroffenen zu unterlassen. Das geht nun manchmal fast schon zu weit, denn dazu gibt es schließlich unterschiedliche Parteien: damit sie auch über ihre unterschiedlichen politischen Konzepte streiten. Allein, er kommt damit überwiegend gut an, weil viele Wähler einfach genervt sind von den immergleichen ritualisierten Hahnenkämpfen der Politiker über Nichtigkeiten.
Dennoch hat sich Karl-Theodor zu Guttenberg, wenn nötig, als ausgesprochen schlagfertig erwiesen. Den Anwurf, es fehle ihm für das Amt des Wirtschaftsministers an der erforderlichen Sachkenntnis, konterte er mit den wohlgesetzten Worten: „Tun wir nicht alle gut daran, jeden Tag etwas dazuzulernen?“ Einem gewissen jugendlichen Überschwang geschuldet war allerdings sein Bild mit ausgebreiteten Armen in New York auf dem Times Square. Durch diese unbedachte Geste wurde er zumindest angreifbar. Doch gehen ihm die vulgären Attitüden einer neureichen europäischen Politikerkaste – man denke nur an den unsäglichen italienischen Ministerpräsidenten – völlig ab. Auch wenn es für ein abschließendes Urteil noch viel zu früh ist: Hier haben wir einen Politiker mit großer Begabung, hohem Potential und bereits jetzt beachtlichem Format. Irgendwann kann er vielleicht Kanzler.