Gerichtsgeschichten aus Schwetzingen, Teil 10
Pinar Karacinar
Vor dem Schwetzinger Schöffengericht wurde ein 27-jähriger Mann aus Schwetzingen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der arbeitslose junge Mann musste sich wegen des Vorwurfs des räuberischen Diebstahls verantworten. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn der Täter im Anschluss an einen Diebstahl Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz der gestohlenen Ware zu erhalten.
Der Arbeitslose hatte im Juli vergangenen Jahres im Neukauf Markt in Schwetzingen zwei Päckchen Zigaretten und eine Flasche Whiskey im Gesamtwert von rund 40 Euro eingesteckt. Dabei wurde er von einer Mitarbeiterin beobachtet, die umgehend die Marktleiterin benachrichtigte. Als er daraufhin von den beiden Damen an der Kasse angesprochen wurde, hätte der Angeklagte um sich geschlagen, um sich im Besitz der gestohlenen Sachen zu erhalten.
Dabei hätte er diese zwei Mitarbeiterinnen leicht verletzt, so zumindest lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Schließlich konnte er auf dem Parkplatz des Supermarktes von einem Mitarbeiter überwältigt werden, der ihm ein Bein gestellt hatte.
In der Verhandlung unter dem Vorsitz des Richters S. räumte der arbeitslose und heroinabhängige Mann den Diebstahl ein. Die gestohlenen Zigaretten und den Alkohol wollte er eigenen Angaben zufolge weiter verkaufen, um mit dem eingenommenen Geld wiederum Drogen zu kaufen. Bereits in der Vergangenheit hatte der 27-jährige immer wieder versucht, sich von seiner Drogenabhängigkeit zu befreien und sich freiwillig in Entzug begeben. Doch aufgrund seiner durch seine Arbeitslosigkeit bedingten schwierigen Lage, aber auch durch die Verbitterung darüber, dass er finanziell nicht dazu in der Lage war, den Unterhalt für seine sechsjährige Tochter aufzubringen, sei der 27-Jährige immer wieder rückfällig geworden, erklärte dessen Verteidiger. Den Tatbestand der Körperverletzung räumte der Angeklagte im Gegensatz zu dem des Diebstahls nicht ein. „Ich habe niemandem wehtun wollen. Ich hatte keinen klaren Gedanken Kopf und wollte einfach nur weg“, beteuerte der Angeklagte immer wieder und zeigte sich sehr reumütig. Schließlich konnte er seine Tränen nicht mehr länger zurückhalten, so dass er nicht mehr dazu in der Lage war, noch weiter zu sprechen, woraufhin die Verhandlung unterbrochen werden musste.
In der Beweisaufnahme wurden die Aussagen der Neukauf-Mitarbeiterinnen verlesen. Diese widersprachen sich jedoch. Während die eine ausgesagt hatte, dass der Angeklagte sie nicht hatte schlagen wollen, sondern sich nur losreißen wollte, behauptete die andere, dass er wild um sich geschlagen habe. Nach der Beweisaufnahme stand zumindest fest, dass es im Rahmen der Fluchtversuche des Angeklagten zu einem Gerangel gekommen war, in dessen Rahmen die Mitarbeiterinnen leicht verletzt wurden.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand des räuberischen Diebstahls als erfüllt an. Zwar sprach er von einer günstigen Sozialprognose: „Man sieht, es berührt ihn, er möchte etwas tun, um seine Probleme zu bewältigen.“ Dennoch plädierte er aufgrund der Vorstrafen des Angeklagten für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Der Verteidiger des Angeklagten beantragte, seinen Mandanten vom Tatvorwurf des räuberischen Diebstahls freizusprechen. „Eine Beutesicherungsabsicht war eindeutig nicht gegeben“, erklärte er. Auch sprach er sich dafür aus, dass dem 27-jährigen im Rahmen des Urteils Hilfe durch einen Drogenentzug zukommen sollte.
Der Vorsitzende Richter S. und die beiden Schöffen sahen den Tatbestand des räuberischen Diebstahls ebenfalls als nicht erfüllt an. Schließlich verurteilte der Vorsitzende den reumütigen jungen Mann zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen. Darüber hinaus ordnete er eine stationäre Therapie zur Bekämpfung der Drogensucht an. So bleibt nur zu hoffen, dass es dem 27-jährigen dieses Mal endlich gelingt, von den Drogen loszukommen und nicht mehr rückfällig zu werden.