Ein Fachanwalt für Sexualstrafrecht berichtet aus seiner Praxis
Benedikt Vallendar
München – Was möglich ist, passiert. Auf diese Formel lässt sich wohl am einfachsten der Berufsalltag von Alexander Stevens bringen. In seinem neuesten Buch „Sex vor Gericht“ schildert der Strafverteidiger, der sich auf Sexualstraftaten spezialisiert hat, die spektakulärsten Fälle aus seinem Berufsleben. Was auffällt: Immer wieder dreht sich bei Sexualstraftaten alles um die Koordinaten „Verkorkste Kindheit“, „genetische Disposition“ und „Gelegenheit“. Daraus entstehen mitunter grausame Straftaten, die vor Gericht in allen Einzelheiten seziert und rekonstruiert werden müssen. Ohne, dass immer Rücksicht auf die Opfer genommen würde.
Bei aller Grausamkeit des Geschehens, gelingt es Stevens, eine innere Distanz zu den Dingen zu bewahren, die ihn als Anwalt bewegen. „Nirgendwo sonst klaffen öffentliche Moral und Rechtsprechung wohl soweit auseinander, wie im Sexualstrafrecht“, sagt Stevens. Und nirgendwo sonst lastet wohl ein größerer Druck auf den Beteiligten als bei Verbrechen rund um den Geschlechtstrieb.
Für Referendare, Doktoranden und Jura-Studenten lohnt sich die Anschaffung des Buches in besonderer Hinsicht: Ausführlich reflektiert und analysiert Stevens auch die derzeitige Gesetzes- und Gerichtspraxis. Vor allem am Beispiel des Falles Kachelmann, bei dem der frühere ARD-Wetter-Moderator fast ein halbes Jahr unschuldig in Haft saß, belegt Stevens, dass Voyeurismus und Skandalisierung oft unerwünschte Begleiter gerichtlicher Verfahren sind und die Wahrheitsfindung erschweren.
Alexander Stevens
Sex vor Gericht. Ein Anwalt und seine härtestens Fälle. Taschenbuch, KNAUR Verlag, München 2016, 224 Seiten, 9.99 Euro, ISBN: 978-3-426-78812-7