Deutsche Juristenbiographien, Teil 7: Erich Kaufmann (1880 – 1972)
Matthias Wiemers
Der hier vorzustellende Rechtswissenschaftler wird bereits im ausgehenden Kaiserreich Hochschullehrer und ist in der Weimarer Republik und der frühen Bundesrepublik vornehmlich als Rechtsberater des Auswärtigen Amts tätig. Seine jüdische Herkunft lässt ihn das „Dritte Reich“ in Den Haag überleben.
Erich Kaufmann wird am 21. September 1880 im Pommerschen Demmin als Sohn eines Rechtsanwalts geboren, der alsbald nach Berlin übersiedelt. 1898 nimmt der Sohn das Studium der Literaturgeschichte und Philosophie, kurz darauf das der Rechtswissenschaft an der Universität seiner Heimatstadt auf. Weitere Studienorte werden Heidelberg und Freiburg, die Promotion erfolgt im Jahre 1906 in Halle (Titel: „Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips“). Bereits mit der zwei Jahre später bei Albert Hänel in Kiel vorgelegten Habilitationsschrift u. d. T. „Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt in den Vereinigten Staaten von Amerika – Eine rechtsvergleichende Studie über die Grundlagen des amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht“ – wendet sich Kaufmann der Auswärtigen Politik und dem Völkerrecht zu.
Drei Jahre später folgt die Schrift über „Das Wesen des Völkerrechts und die Clausula rebus sic stantibus – Rechtsphilosophische Studie zum Rechts-, Staats-, und Verfassungsbegriff“.
In der Neuauflage des „Wörterbuchs des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts“ liefert Kaufmann einen monografischen Artikel „Verwaltung, Verwaltungsrecht“ in dem er sich von der juristischen Methode Otto Mayers abwendet.
Im Ersten Weltkrieg dient Kaufmannn als Frontoffizier und wird noch im Jahre 1917 auf einen Lehrstuhl an der Universität Berlin berufen. Drei Jahre später erfolgt der Wechsel nach Bonn, weil Kaufmann Abstand und Ruhe von den politischen Geschehnissen in der Hauptstadt erstrebt. Weil er ab 1922 aber ständiger Berater des Auswärtigen Amtes in Berlin ist, folgt 1927 die Rückkehr an die Kaiser-Wilhelms-Universität, allerdings nur noch als Honorarprofessor. Denn Kaufmann ist mittlerweile fester Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes geworden. Hat er noch ein Jahr vor Kriegsende das noch nicht parlamentarisierte Bismarcksche Verfassungssystem verteidigt, so stellt sich Kaufmann nun in den Dienst der Weimarer Republik. Dies äußert sich u. a. darin, dass er sich mit dem Phänomen der politischen Parteien auseinandersetzt. Damit entwickelt Kaufmann bereits Anfang der 1920er Jahre eine Lehre, die die nicht im Verfassungstext normierten Voraussetzungen für das Funktionieren des neuen Parlamentarischen Regierungssystems in den Blick nimmt.
Die Tätigkeit als Rechtsberater des Auswärtigen Amts besteht in der Verfertigung von Gutachten wie in der Vorbereitung von Verträgen vornehmlich mit den östlichen Nachbarn. Er wirkt an Vertragsverhandlungen selbst mit, ist Mitglied internationaler Schiedsgerichte und vertritt das Reich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
Ist Kaufmann durch diese Tätigkeiten in der Staatspraxis derart beansprucht, dass er in den 1920er Jahren kaum publiziert, so referiert er doch auf der Staatsrechtslehrertagung 1926 in Münster zu dem Thema „Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung“, wo sich in der anschließenden Diskussion der so genannte Richtungsstreit der Weimarer Staatsrechtslehre entzündet. Dabei erweist sich Kaufmann als ein Kritiker des damals noch herrschenden Positivismus und entwickelt einen soziologisch-funktionalen Verfassungsbegriff, der an die Arbeiten der frühen Zwanzigerjahre anknüpft.
Die Tätigkeit als Rechtsberater des Auswärtigen Amtes endet mit der Machtergreifung am 30. Januar 1933, ein Jahr später das kurz zuvor erlangte Ordinariat an der Berliner Universität. Nachdem er zunächst einige Monate in seinem Heim am Berliner Nikolassee ein „Nikolasseer Privatseminar“ etabliert hat, geht Kaufmann für die Zeit von 1935 bis 1946 ins Exil nach Den Haag, wo er an der dortigen Akademie weiter Vorträge hält. Zurück in Deutschland, wird Kaufmann Ordinarius für Völkerrecht, auch Rektor, in München und 1950 dort emeritiert.
In den Jahren 1950 bis 58 ist Kaufmann als Rechtsberater von Bundeskanzler und Auswärtigem Amt tätig, wo er sich vor allem mit Fragen der Rechtslage Deutschlands befasst, und daneben wieder Honorarprofessor – diesmal an der Universität Bonn. Er stirbt im Jahre 1972. Wikipedia kann entnommen werden, dass Erich Kaufmann in einem Familiengrab der Familie seiner Frau (Pankok) auf einem evanglischen Friedhof von Saarn in Mülheim an der Ruhr begraben liegt. Das Ehepaar hatte keine Kinder.
Quelle: Manfred Friedrich, Erich Kaufmann (1880 – 1972): Jurist in der Zeit und jenseits der Zeiten, in: Heinrichs/Franzki/Schmalz/Stolleis, Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, S. 693 ff.