Vordenker des Disruptiven

Deutsche Juristenbiographien, Teil 11

Matthias Wiemers

Nach einer Promotion in Rechtswissenschaften legt Joseph Aloys Schumpeter (1883 – 1950) den eindeutigen Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Fortbildung und beruflichen Betätigung auf den Bereich der Volkswirtschaftslehre. Er wird zu einem der wichtigsten Vertreter der Österreichischen Schule der Naionalökonomie.

Joseph Aloys Schumpeter wird am 8. Februar 1883 im mährischen Trest (damals Ungarn) als Sohn eines Industriellen geboren, der vier Jahre später durch einen Jagdunfall stirbt. Mit der Mutter zieht er anschließend nach Graz, wo er von 1888 bis 1893 die Volksschule besucht. Nach Wiederheirat der Mutter mit einem gutsituierten adeligen Pensionär Besuch des berühmten Theresianums in Wien und Matura im Jahre 1901. Von 1901 bis 1906 Studium der Rechte und der ökonomischen Staatswissenschaft an der Unversität Wien, wo Aloys sowohl juristische wie ökonomische Lehrveranstaltungen besuchen muß; ein eigenes Studium der Volkswirtschaftslehre existiert seinerzeit noch nicht. Gilt auch spätestens ab dem zweiten Studienjahr das Hauptaugenmerk Schumpeters der damals so genannten „Politischen Ökonomie“ (Volkswirtschaft), so beschließt er doch das Studium zunächst mit einer juristischen Dissertation. Berühmte Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie, nämlich Carl Menger, Friedrich von Wieser und Eugen von Böhm-Bawerk, lehren damals an der Hochschule, aber etwa auch Eugen von Philippovich und Karl Theodor von Inama-Sternegg.
Das Jahr nach der Promotion führt auf Reisen nach Paris, Berlin und London, wo er noch 1907 heiratet. Sodann reist Schumpeter mit seiner Frau für einige Monate nach Kairo, wo er als Anwalt am damaligen internationalen Gerichtshof tätig ist. Diese sehr lukrative Tätigkeit sichert Schumpeter ein kleines Vermögen, und die wesentlich während des Kairo-Aufenthaltes verfertigte Schrift „Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie“ reicht Schumpeter im Jahre 1909 in Wien als Habilitationsschrift ein, wo er zum Privatdozenten ernannt wird. Bis 1911 ist er sodann zwei Jahre außerordentlicher und schließlich ordentlicher Professor für politische Ökonomie an der Unversität Czernowitz, das damals zur KuK-Monarchie gehört. Im Jahre 1911 veröffentlich Schumpeter seine berühmte „Therorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ und ist dann zehn Jahre Professor für politische Ökonomie an der Unversität Graz, unterbrochen durch eine Gastprofessur an der Columbia University, New York.
Ist Schumpeter zunächst betont unpolitisch, so ändert sich dies im Verlauf des Ersten Weltkriegs, wo er eine Reihe von Denkschriften über die wirtschaftliche und politische Situation Österreichs erstellt. Von einer Kriegsteilnahme ist Schumpeter, da einziger Nationalökonom an der Univerität Graz, freigestellt. 1919 wird Schumpeter schließlich für einige Monate Finanzminister der Republik Österreich, wird aber nach Neubegündung der Regierung nicht wieder nominiert. Auch eine bis 1925 ausgeübte Tätigkeit als Bankier und Finanzinvestor in Wien ist von Erfolglosigkeit, ja Beinahe-Insolvenz geprägt. Dringend auf die Erzielung regelmäßiger Einnahmen angewiesen, gelingt es Schumpeter im Jahre 1925, auf einen Lehrstuhl für wirtschaftliche Staatswissenschaft an der Unversität Bonn berufen zu werden. Im selben Jahr erneute Heirat, Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit und Konversion vom Katholizismus zum Protestantismus, weil die erste Ehe sonst nicht hätte gelöst werden können.
Im Jahr darauf Verlust der geliebten Mutter, der jungen Ehefrau und des neugeborenen Sohnes. Nach zwei Gastprofessuren in den Jahren 1927/28 und 1930 dann 1932 endgültiger Ruf an die Harvard University, Department of Economics, in Cambridge, Massachusetts. Dort ist u. a. der spätere Nobelpreisträger Paul Samuelson sein Schüler, aber auch James Tobin, Richard Musgrave und John Kenneth Galbraith sind zu nennen. 1937 erneute Heirat und 1939 Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft. Während der gesamten Zeit in Harvard ist Schumpeter der Star der Fakultät, steht aber seit Mitte der 1930er Jahre international eher im Schatten des gleichaltrigen John Maynard Keynes, der ebenfalls in Cambridge, freilich auf der anderen Seite des Atlantiks, lehrt.
Schumpeter, der etwa 15 Jahre braucht, um sich von seinem Quasi-Bankrott nach dem Ausflug in die Geschäftswelt zu erholen, lebt stets auf großem Fuße und muß daher unermüdlich publizieren und gut dotierte Vorträge halten. Popularität erlangt vor allem seine 1942 veröffentlichte Aufsatzsammlung „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“. Bis heute verbinden wir mit ihm die Denkfigur der „schöpferischen Zerstörung“, die – nach Vorüberlegungen bereits in der „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ – in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ entfaltet wird. Auslöser für die schöpferische Zerstörung ist der innovative Unternehmer, dem er sich ebenfalls bereits in seinem Frühwerk widmet. In der Analyse gar nicht so weit von Keynes entfernt, lehnt er dessen Lehren im weiteren ab. Bis zuletzt unermüdlich an zum Teil monumentalen Werken arbeitend, stirbt Schumpeter am 8. Januar 1950 an einem Gehirnschlag.

Quellen:
Annette Schäfer, Die Kraft der schöpferischen Zerstörung. Joseph A. Schumpeter. Die Biographie (2008)
Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942)

Veröffentlicht von on Apr 10th, 2017 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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