Abgründige Parallelwelt

scheiben-tc-cover-hope-sandovalHope Sandoval beglückt uns mit ihrem zweiten Soloalbum

Thomas Claer

Das CD-Cover zeigt einen nackten Arm über einer unbestimmbaren Lichtquelle in völliger Dunkelheit und sonst nichts. Hope Sandoval ist wieder da: die rätselhafte, undurchdringliche, undurchschaubare. Ihre letzte Platte, „Bavarien Fruit Bread“, liegt schon acht Jahre zurück. Wenn wir richtig gerechnet haben, ist sie jetzt 43 Jahre alt. Ihre Stimme aber klingt kaum anders als vor zwanzig Jahren: eigentlich hell und klar, doch immer auch etwas gedämpft und zerbrechlich. Klein und zierlich, elfengleich und mädchenhaft stand sie erstmals Ende der Achtziger mit „Opal“ auf der Bühne, der Band des amerikanischen Underground-Gitarristen David Roback. Die junge Hope Sandoval, aus einer mexikanischen Einwandererfamilie in Los Angeles stammend, war Opal-Fan, hatte der Band Demo-Kassetten mit eigenen Songs geschickt und wurde von den Musikern kurz darauf als Bühnenvertretung für Sängerin Kendra Smith engagiert. Nach deren Ausscheiden 1989 übernahm Hope Sandoval den Gesangs-Part, und Roback nannte die Gruppe nun „Mazzy Star“. Fortan waren alle Lieder auf Hope Sandoval und ihren einzigartig-geheimnisvollen, seltsam entrückten sphärischen Gesangsstil zugeschnitten. Das Mazzy Star-Debütalbum „She hangs brightly“ (1990) begeisterte mit Sechzigerjahre-Psychedelic-Anklängen, spartanisch instrumentierten Gitarrenpop-Nummern und einem einfach unbeschreiblichen Titelstück. (http://www.youtube.com/watch?v=SiOL_iaUIyc) Auch die beiden folgenden Mazzy-Star CDs „So Tonight that I Might See“ (1993) und „Among my Swan“ (1996) entzückten mit traumhaft-düsteren Songs im Zeitlupentempo. Legendär sind ferner die schüchternen Interviews, die Hope Sandoval in den 90ern gab, in denen sie die Fragesteller manchmal minutenlang anschwieg, um sie dann mit knappen und vieldeutigen Antworten zu verwirren. Ohne dass Mazzy Star sich jemals aufgelöst hätten, brachte Hope Sandoval die nächsten beiden stilistisch ähnlichen CDs ohne Dave Roback unter dem Bandnamen „Hope Sandoval & The Warm Inventions“ heraus, nämlich das besagte „Bavarien Fruit Bread“ (2001) und nun also „Through The Devil Softly“: Geradezu gemächlich hebt das Album an, erst der dritte Song „For the Rest of your Life“ wird richtig abgründig. Doch atmet das ganze Album jenen Mazzy Star-Spirit der ausgedehnten Töne und zerfließenden Realitäten. Es dominieren Gitarren, mitunter kommen Mundharmonika und Violine hinzu. Scheinbar ist das Folk, aber ein bodenloser Folk, der einen in die Tiefe zieht. Das überraschend kraftvolle „Trouble“ klingt dann jedoch plötzlich wie ein Lied von Portishead. Und das effektvoll als Schlussstück angeordnete „Satellite“ mutet an wie eine Botschaft aus dem Jenseits. Das Urteil lautet: gut (13 Punkte).

Hope Sandoval & The Warm Inventions
Through The Devil Softly
Nettwerk (Soulfood Music) 2009
Ca. € 17,-
ASIN: B002GZQZQ0

Indormationen:
http://www.hopesandoval.com/music/mazzystar.shtml

Veröffentlicht von on Nov 2nd, 2009 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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