Die Entwicklung des Value-Investing von Benjamin Graham bis Warren Buffett
Patrick Mensel
Der deutsche Titel „Warren Buffetts fundamentale Investment-Geheimnisse“ klingt verheißungsvoll, das englische Original mit ‚Ground rules‘ profan. Und doch passen beide. Warren Buffetts Ansätze liegen auf der Hand, sind seit Jahrzehnten bekannt – offene Geheimnisse, Ideen, die auf der Straße liegen und doch gehen viele Investoren achtlos vorbei, worüber sich Buffett selbst am meisten wundert. Seit Bestehen seiner Buffett Partnership schrieb er zunächst einmal, später auf Drängen der Partner und Anteilseigner zweimal im Jahr Briefe, in denen er ausführlich und umfänglich die von ihm getätigten Geschäfte und das jeweils vorherrschende Marktumfeld erläuterte. Diese Schatzkiste hat sich Jeremy Miller vorgenommen, hat ausgewählt und sich auf die Briefe im Zeitraum von 1956-1970 konzentriert. Diese 14 Jahre liegen zwischen Buffetts Zeit bei Benjamin Graham in New York, dem Begründer des Value-Investing-Ansatzes, und dem Anfang des legendären Berkshire-Hathaway-Erfolgs, der bis heute anhält.
Miller kommentiert geradlinig, klar unprätentiös, er ordnet ein und lässt vor allem den großen Meister zu Wort kommen, Buffett selbst. Die Ausführungen sind thematisch und chronologisch strukturiert und ermöglichen einen profunden Einstieg in die Materie. Wer sich dem Value-Investing verschrieben hat, egal, ob Anfänger oder Profi, der kommt an diesem Werk nicht vorbei.
14 Kapitel, zusammengefasst in drei große thematische Blöcke, nehmen den Leser an die Hand und führen ihn ein in den Zinseszins, die Marktindexierung, die Arten des Stockpickings (Generals, Workouts, Controls), in konservatives versus konventionelles Denken, in Performancefragen und die Steuerproblematik. Sie lesen sich angenehm, auf Blendwerk wie aufgeblähtes Fachvokabular und seitenlange Statistiken oder Formeln wurde verzichtet. Im Anhang befindet sich das notwendige, sparsam reduzierte Datenmaterial, auf das im Text immer wieder Bezug genommen wird ebenso wie Buffetts letzter Brief an die Anteilseigner der Buffett Partnership, der die Funktionsweise steuerfreier Kommunalanleihen beleuchtet.
Für Leser, die noch mehr wissen wollen, sei auf den im Herbst im selben Verlag erscheinenden Fortsetzungsband von Lawrence A. Cunningham verwiesen, der sich mit den Essays von Warren Buffett befasst, die seit der Gründung seiner phänomenal erfolgreichen Firma Berkshire Hathaway entstanden sind. Damit wäre das Bild vollständig.
Geht man zeitlich weiter zurück, so hat der FinanzBuch Verlag ebenfalls ein sehr interessantes Angebot parat.
Wer war der Lehrmeister der Investorlegende Warren Buffett? Buffett ist selbst wirtschaftlich und finanztechnisch wenig Interessierten ein Begriff, wohingegen sein Lehrer Benjamin Graham der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt geblieben ist. Der Begründer des Value-Investings, das Buffett später weiterentwickelte, erblickte 1894 in London das Licht der Welt. Ein Jahr später wanderten seine Eltern nach New York aus. Nach dem Tod des Vaters verarmte die Familie. Benjamin erhielt ein Stipendium der Columbia University, wo er 1914 als Zweitbester seines Jahrgangs abschloss. Er ging an die Wall Street und widmete sich dem Anleihengeschäft, zunächst als Angestellter, dann als Analyst und Partner und schließlich gründete er seine eigene Investment-Partnership. Graham war ein Meister der Aktienanalyse. Er sezierte Geschäftsberichte von Unternehmen und entwickelte seine eigene Strategie, die zu einer der besten Erfolgsbilanzen der Wall Street führte: 1956, bei seinem Rückzug aus dem Geschäft, wies seine Graham-Newman Corp. eine jährliche Mindestrendite von 14,7 % auf und lag damit 2 % höher als der Gesamtmarkt.
Seine Prinzipien sind auch heute noch von Interesse. Weltweit beziehen sich Value- Investoren auf sie und handeln danach. Graham lehrte neben seiner Wall Street-Tätigkeit von 1928-1957 an der Columbia University und legte seine Grundregeln in zwei Klassikern dar: ‚Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse‘ und das leichter verdauliche ‚Intelligent investieren‘, das im Folgenden näher beleuchtet wird.
Um es vorwegzunehmen: Es handelt sich um einen Bestseller aus dem Finanzbuchbereich. Bereits 1950 erschien die 1. Auflage auf Englisch und das Werk hat sich seitdem auf dem Finanzbuchmarkt behauptet. Investorlegende Warren Buffett tituliert es als das „mit Abstand […] beste Buch, das jemals für Anleger geschrieben wurde“. Woher rührt diese anhaltende Begeisterung? ‚Intelligent investieren‘ macht keine Heilsversprechungen à la ‚In 10 Schritten zum Millionär‘, sondern beleuchtet zunächst sachlich die Entwicklung des amerikanischen Aktienmarktes seit 1871. Spekulative und konservative Strategien werden auf den Prüfstand gestellt. Es geht sodann u. a. um die Portfolioauswahl, die Wertpapieranalyse und die Aktienauswahl.
Das Werk ist extrem lehrreich, verquickt die Geschichte des Aktienmarktes mit heutigen Entwicklungen, die der Bearbeiter Jason Zweig treffend darlegt. Es entsteht ein sehr dichter Leitfaden, der zumindest börsentechnische Grundkenntnisse sowie Vertrautheit mit den Fundamentalprinzipien des Value-Investings voraussetzt. Mit diesem Hintergrundwissen lassen sich wertvolle Lehren aus ‚Intelligent investieren‘ ziehen. Es ist nicht überholt, es ist zeitlos, ein Klassiker und gehört gleichsam als Finanzbibel in die Bibliothek eines jeden Investors – ganz gleich ob spekulativer oder konservativer Sorte.
Warren Buffetts fundamentale Investment-Geheimnisse: Die Essenz der Partnership Letters des erfolgreichsten Investors aller Zeiten
Jeremy Miller
FinanzBuch Verlag, 2016
368 Seiten
ISBN-10: 3898799328
ISBN-13: 978-3898799324
Intelligent Investieren: Der Bestseller über die richtige Anlagestrategie
Benjamin Graham
FinanzBuch Verlag, 2013
640 Seiten
ISBN-10: 3898798275
ISBN-13: 978-3898798273