Deutsche Juristenbiographien, Teil 14: Robert M. W. Kempner war nicht nur Ankläger bei den Nürnberger Prozessen
Matthias Wiemers
Die Eltern der hier vorzustellenden Juristen waren zur Zeit seiner Geburt beide wissenschaftliche Assistenten des Robert-Koch-Instituts und im Jahre 1899 gerade zu Zwecken der Malaria-Bekämpfung in Montenegro, dem späteren Albanien. Zur Geburt des Sohnes schafften sie es nicht mehr rechtzeitig nach Berlin, so dass der Sohn, den sie mit erstem Vornamen nach Robert Koch benennen, unterwegs nach Hause in Freiburg geboren wird.
Die Eltern sind linksliberal und jüdischen Glaubens, die Mutter Lydia ist 1912 die erste Professorin in Preußen und wird berühmt durch einen Lebensmittelskandal, nämlich einen großen Fall von Rindertuberkulose, der bei der berühmten Meierei Bolle. Robert folgen die Schwester Nadeschda, eine recht bekannt gewordene Philologin, und der Bruder Walter, zuletzt Medizinprofessor in den USA.
Der Vater stirbt 1920 an Kehlkopftuberkulose; ihm kann auch Robert Koch, Entdecker des Tuberkel-Bakteriums, nicht helfen. Die Familie wohnt in Berlin-Lichterfelde, und nach einem Notabitur mit 17 Jahren meldet sich Robert freiwillig bei den dort ansässigen Gardeschützen. Kempner kommt nach Westen, an die Marne, und erhält noch das Eiserne Kreuz II. Klasse, obwohl er kaum zum Einsatz kommt. Bereits Ende 1918 Einschreibung als Student in Berlin, in einem „Zwischensemester“ für Kriegsteilnehmer, danach Anfang 1919 Einsatz zur Bekämpfung von Unruhen in Berlin im Rahmen einer „Republikanischen Schutztruppe“.
Neben Berlin studiert Kempner auch noch in Freiburg und legt 1923 sein Erstes Staatsexamen ab. Neben der Tätigkeit beim Amtsgericht Lichterfelde arbeitet er beim berühmten Strafverteidiger Dr. Erich Frey. Auch als Journalist für diverse Zeitungen und Zeitschriften ist Kempner nebenher tätig. 1926 erfolgt bereits das Assessorexamen, und Kempner bewirbt sich bei der Staatsanwaltschaft Berlin – auch weil er die junge Republik unterstützen will. Bereits 1928 Wechsel ins preußische Innenministerium. Zunächst mit Verkehrssachen betraut, wird Kempner bald Justiziar der preußischen Polizei. Ehrenamtlich baut Kempner eine Rechtsstelle der Liga für Menschenrechte auf, die er von 1926 bis 1933 betreut und dann selbst auflösen muss.
1931 ist er an der Schaffung des Polizeiverwaltungsgesetzes maßgeblich beteiligt, und 1933 – Hermann Göring hat die Leitung des Ministeriums übernommen – wird er aus politischen und rassischen Gründen entfernt. Der Dienst im Ersten Weltkrieg nützt ihm nichts.
Danach ist Kempner als Devisen- und Auswanderungsberater tätig. Nach der Übernahme der Leitung des Reichssicherheitshauptamts durch Heydrich im Jahre 1935 wird Kempner im März des Jahres kurz verhaftet, aber bald wieder freigelassen. Als seine Mutter im selben Jahr stirbt, siedelt Kempner nach Italien über, wo er die Mit-Leitung einer internationalen Schule in Florenz übernimmt.
1939, Kempner ist inzwischen in Deutschland ausgebürgert und seit dem Vorjahr haben Repressalien begonnen, siedelt er – nach einigen Monaten Aufenthalt in Nizza – in die USA über, was durch die Einladung einer Freundin seiner Mutter ermöglicht wird. Dort wird er Regierungsberater und dann bereits ab 1943 Mitglied der United Nations War Crimes Commission. In dieser erlebt er schon vor Kriegsende Diskussionen darüber mit, wie mit den Kriegsverbrechern zu verfahren sei.
1945/46 fungiert Kempner als stellvertretender Hauptankläger der Vereinigten Staaten beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher und ein Jahr später auch beim „Wilhelmstrassen-Prozess“ gegen leitende Angehörige des Auswärtigen Amtes (beginnend mit dem Staatssekretär Ernst von Weizsäcker).
Kempner bleibt nach „Nürnberg“ in Deutschland und lässt sich 1951 in Frankfurt am Main als Anwalt nieder. Als solcher wird er Nebenklägervertreter in zahlreichen NS-Prozessen. Daneben schreibt er zahlreiche Bücher, von denen die Lebenserinnerungen dieser kurzen Lebensbeschreibung zu Grunde liegen. Das Buch ist besonders lesenswert vor dem Hintergrund, dass hier ein Praktiker von Justiz und Verwaltung und ein Kenner der preußischen und insbesondere Berliner Verhältnisse Sachverhalte kommentiert und Querverbindungen zwischen Personen herstellt, die in gewöhnlichen Geschichtsbüchern nicht zu finden sind. Am 15. August ist er in Königstein im Taunus gestorben und liegt in der Familiengrabstätte auf dem Parkfriedhof Lichterfelde – einem Ehrengrab des Landes Berlin.
Quellen: Robert M. W. Kempner, Ankläger einer Epoche. Lebenserinnerungen, in Zusammenarbeit mit Jörg Friedrich, Ullstein Berlin 1983, wikipedia-Artikel