Deutsche Juristenbiographien, Teil 18: Albert Hensel (1895 – 1933)
Matthias Wiemers
Albert Hensel, ein Nachkomme des Philosophen Moses Mendelssohn, war ein Begründer des wissenschaftlichen Steuerrechts in Deutschland. Am 9. Februar 1895 wird Albert Hensel als ältester Sohn des Mathematikers Kurt Hensel in Berlin geboren und protestantisch getauft. Die Mutter, Gertrud Hahn, ist Tochter jüdischer Eltern. 1902, der Vater hat einen Ruf an die Universität Marburg erhalten, zieht die Familie in diese Stadt, wo Albert von 1902 bis 1913 seine Schulzeit verbringt.
Im Sommersemester 1913 nimmt Albert das Studium der Geschichte und der Philosophie an der Universität Freiburg auf, meldet sich aber schon im Oktober des Jahres als Einjährig-Freiwillige beim X. Bayerischen Feldartillerieregiment in Erlangen, was ihn in den Ersten Weltkrieg führt. Aufgrund früher Verwundungen muss Hensel bereits im Oktober 1914 nach Erlangen zurückkehren, wo er während seines Aufenthalts in der Garnison sein Studium – wieder Philosophie, aber auch Rechtswissenschaft – weiterführen kann.
Ein Einsatz an der West an der Westfront endet 1916 durch eine Krankheit, so dass das Studium in Erlangen fortgesetzt und in Berlin abgeschlossen werden kann, wo Hensel im Mai 1919 das Referendarexamen „mit Auszeichnung“ besteht. Es folgt eine Tätigkeit im Auftrag des Reichsbankdirektoriums, im Büro für Kriegsanleihen.
1920 erfolgt eine finanzrechtliche Promotion in Berlin bei Heinrich Triepel über „Der Finanzausgleich im Bundesstaat und seine staatsrechtliche Bedeutung“ (so veröffentlicht 1922), danach eine Tätigkeit am Finanzamt Marburg, zur Vorbereitung einer Tätigkeit als Fakultätsassistent in Bonn, die im April 1921 beginnt. Bereits 1922 erfolgt die von Erich Kaufmann betreute Habilitation, ebenfalls über ein finanzrechtliches Thema, „System des Familiensteuerrechts“ und die Erteilung der venia legendi für Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Finanz- und Steuerrecht und Propädeutik zur allgemeinen Staatslehre. 1923 wird Hensel zunächst außerordentlicher Professor in Bonn für die Fächer Verwaltungsrecht, Allgemeine Staatslehre, Polizeirecht, Deutsches Reichs- und Landesstaatsecht, 1929 Ruf als Ordinarius nach Königsberg, Lehrstuhl für Allgemeine Staatslehre, Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht. Am 25. April 1933 wird Hensel, der nach den Kriterien des NS-Staats als „Halbarier“ gilt, aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen. Der rechtsliberale Teilnehmer des Ersten Weltkriegs und Träger des Eisernen Kreuzes zweiter Klasse wehrt sich gegen die Entscheidung. Der Königsberger Universitätskurator Friedrich Hoffmann sendet am 28. August Nachweise von Hensels militärischen Verdiensten nach Berlin. Am 18. September entscheidet der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, der Nationalsozialist Bernhard Rust, Hensel falle unter die Ausnahmeregelung des Gesetzes für Kriegsteilnehmer und dürfe an die Universität zurückehren. Dies teilt der Universitätskurator Hensel mit Schreiben vom 11. Oktober mit. Die Nachricht erreicht ihn am 17. Oktober, einen Tag vor einem tödlichen Herzanfall (angina pectoris) am 18. Oktober 1933 in Pavia, wo sich Hensel am dortigen Finanzinstitut der Universität um eine Anstellung bemüht hat.
Die Ehefrau Marie-Luise, geb. Flothmann, seit April 1918 mit Hensel verheiratet, wird am 31. August 1942 im Gestapogefängnis in Konstanz in den Freitod getrieben, nachdem sie als Fluchthelferin für jüdische Mitbürger in die Schweiz verhaftet worden ist.
Hensel hat 1924 die erste Auflage des ersten wissenschaftlichen Grundrisses zum „Steuerrecht“ veröffentlicht, das 1933 in dritter Auflage erschien. 1926 hält er das Erstreferat zum zweiten Beratungsgegenstand auf der Staatsrechtslehrertagung in Münster zum Thema „Der Einfluss des Steuerrechts auf die Begriffsbildung des öffentlichen Rechts“, wobei der Mitbericht von Ottmar Bühler, den zweiten Vater des wissenschaftlichen Steuerrechts in Deutschland gehalten wird. Daneben ist das Engagement für die Kunst namentlich im Rahmen der Steuerpolitik sowie in der Kommunalpolitik (für die DVP) zu nennen.
Quellen:
Paul Kirchhof, Albert Hensel (1895 – 1933). Ein Kämpfer für ein rechtsstaatlich geordnetes Steuerrecht, in: Heinrichs, S. 781 ff.
Michael Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Dritter Band 1914 – 1945
Thomas Lackmann, Das Glück der Mendelssohns. Geschichte einer deutschen Familie
Ekkehard Reimer und Christian Waldhoff, Zu Leben und Werk Albert Hensels (2000)