Tom Waits begeistert auf seinem aktuellen Live-Album
Thomas Claer
Wer Leute zu sich nach Hause einlädt und ganz auf Nimmer sicher gehen will, der legt Tom Waits-Platten auf, egal welche. Der coole Tom Waits, heute 60, gilt in informierten Kreisen seit langen Jahren als absoluter Konsens-Künstler.
Während man über viele andere Pop-Musiker zu sagen pflegt, sie würden auf der Bühne zum Tier, gilt das für Tom Waits bereits auf seinen Platten, zumindest auf seinen reiferen seit den Achtzigern. Dennoch nehmen die Live-Einspielungen einen besonderen Rang ein im umfangreichen Werk des großen Romantisierers und Ästhetisierers des Abgebranntseins als Existenzmodus. Da gab es zunächst das damals sehr umstrittene Doppelalbum Nighthawks at the Diner (1975), bei dem künstlich und kalkuliert die Atmosphäre in einer anrüchigen Spelunke als perfekte Illusion erzeugt wurde. Heute hat ihm das wohl jeder verziehen, denn keine „echte“ Bar-Musik könnte wundervoller sein als diese Platte. Dann gab es die sehr kraftvolle „Big Time“ (1988), die vor allem die deutlich rockigeren Stücke seit 1980 versammelt. Und nicht zu vergessen die ganz und gar absonderliche geisterhafte Live-Version von „The Piano Has Been Drinking“, aufgenommen in Dublin 1981, von der Compilation-Platte „Bounced Checks“, die nie als CD gepresst wurde, doch auf YouTube finden wir sogar das: http://www.youtube.com/watch?v=qVP6Xta84rU&feature=related
Und nun also nach über 20 Jahren ein weiteres Live-Album. „Glitter & Doom“ entstand auf der gleichnamigen Tour, die den kalifornischen Songwriter 2008 durch die USA und Europa führte. Die in zehn verschiedenen Städten aufgenommenen insgesamt 17 Songs sind eher solche der zweiten Reihe, die hier in oft völlig verändertem musikalischen Gewand erklingen. Die Live-Atmo kommt vortrefflich rüber. Bluesig und mitunter jazzig klingen die Arrangements. Auf einer zweiten CD befinden sich noch etliche Zwischenbemerkungen, Anekdoten und Bühnenansprachen des Meisters im Dialog mit seinem Publikum. Doch dies fließt nicht in die Bewertung ein, da der Rezensent das Gemurmel ganz überwiegend nicht verstehen kann.
Noch ein Wort zur Präsentationsweise: Tom Waits auf CD oder gar in digitaler Formatierung abzuspielen, muss man schlichtweg als Todsünde bezeichnen. Auf einem Uralt-Kassettenrekorder in Mono-Klangqualität im Studentenwohnheim – das geht gerade noch an. Ansonsten ist Vinyl hier Pflicht. Rechtfertigen lässt sich sein Genuss auf CD allenfalls damit, die eigenen guten alten Vinyl-Scheiben für den noch ausgesuchteren, noch lieberen künftigen Besuch schonen zu wollen. Wichtig ist ferner, die Whisky-Flasche stets in Reichweite stehen zu haben. Das Urteil lautet: gut (13 Punkte).
Tom Waits
Glitter and Doom (Doppel-CD)
Anti (Indigo) 2009
Ca. € 17,-
ASIN: B002SG7L9W