Klaus Erfmeyer mit seinem vierten Anwaltskrimi von der Ruhr
Christian F. Reineck
Wie verhalten sich Vertreter der Spezies Mensch in Extremsituationen? Verlieren Kategorien wie Freundschaft oder Partner schnell an Bedeutung? Haben bis dato allseits akzeptierte Regeln und Verhaltenskodizes noch einen Wert; wie steht es um Nächstenliebe und Solidarität? Wer sich an der Lösung dieser Fragen abarbeiten will – und sei es nur mental -, dem sei ein Griff ins Bücherregal empfohlen: Der schriftstellernde Anwalt Dr. Klaus Erfmeyer hat seinen vierten „Ruhr-Krimi“ am Start und beschreibt sehr eindringlich und detailverliebt die Reaktionen unserer Mitmenschen in genau einer solchen Ausnahmesituation: Rechtsanwalt Stephan Knobel, der Protagonist und hauptberuflich Partner in der Sozietät Hübenthal & Knobel wird ganz zufällig Opfer einer exakt geplanten und raffiniert durchgeführten Entführung: Mehrere Personen werden in die weitläufige Stollenanlage des ehemaligen Großbunkers in Dortmund gelockt und dort eingesperrt. Dies ist sehr spannend und anschaulich beschrieben, man zittert mit den Eingesperrten, geht es doch scheinbar – zumindest für einen Beteiligten – um Leben und Tod. Schnell zeigt sich, welche Absichten der Entführer hegt, als er die Opfer zwingt, eine makabre Gerichtsverhandlung aufzuführen: In einem lange zurückliegenden Verfahren wurde er wegen einer Bagatelle verurteilt, nun sinnt er auf Rache in ihrer wirksamsten Form, nämlich kalt genossen! Seinen damaligen Richter sowie den Rechtsanwalt will er nun in die Verantwortung nehmen, ihre Karrieren zerstören. als den Ertappten der Ernst ihrer Lage transparent wird, versuchen sie nun ihrerseits, ihre Haut zu retten, und sie vergessen schnell Kinderstube und Fairness. Soviel sei verraten: Die Gepeinigten können sich befreien, dagegen verlässt der Entführer auf mysteriöse Weise das irdische Jammertal. Bis dorthin flott und spannend erzählt, gerät der Roman nun zunehmend zäh und banal: Die Überlebenden beginnen, sich in einem – auch für den Leser – zermürbenden Kleinkrieg aufzureiben. Es bleiben Karrieren und Freundschaften auf der Strecke, doch leider auch Spannung und Glaubwürdigkeit. Die Geschichte versandet schließlich im Morast menschlicher Perfidie und juristischer Spitzfindigkeiten – gut gemeint, aber nicht mehr wirklich interessant. Vielleicht gibt die Story um korrupte, karrieregeile Juristen einfach zu wenig Brennstoff, um das Spannungsfeuer über 300 Seiten am Lodern zu halten.
Klaus Erfmeyer
Tribunal
Gmeiner-Verlag GmbH
ISBN: 978-3839210604
324 Seiten
11,90 Euro