Ferdinand von Schirach „Verbrechen“
Anna Buchenkova
Sind diese Geschichten wahr? Hat es sich tatsächlich so zugetragen? Das sind die Fragen, die man sich stellt. Von der ersten bis zu der letzten Zeile ist man von den spannenden, intensiven und außergewöhnlichen Geschichten fasziniert. Man verschlingt dieses Buch innerhalb von wenigen Stunden. In Erinnerung bleibt es dennoch sehr lange. Jede einzelne Geschichte muss man erst nachwirken lassen, bevor man weiterlesen kann.
In elf Kurzgeschichten erzählt der angesehene Strafverteidiger aus Berlin ungewöhnliche Fälle aus seinem Berufsleben. Ein Arzt erschlägt seine Ehefrau nach langen Ehejahren mit einer Axt, weil er deren ewiges Gezanke nicht mehr ertragen kann. Bruder und Schwester pflegen so ein inniges Verhältnis, das die Schwester den Bruder aus Liebe tötet. Eine wertvolle japanische Teeschale wird gestohlen, was zu einigen blutigen Zusammenstößen führt. Ein Museumswächter dreht plötzlich durch, weil er über 20 Jahre eine und dieselbe Statue bewachen musste… Und noch mehr von den atemberaubenden Geschichten findet man in diesem Buch.
Man erfährt die Hintergründe der Taten und die Motive der Täter. Die Verbrechen werden detailliert beschrieben, vor allem aber aus zwischenmenschlicher Sicht. Die Frage nach dem Sinn der Bestrafung steht immer wieder im Mittelpunkt. An manchen Stellen klärt der Autor über das deutsche Rechtssystem und insbesondere über den Prozessverlauf auf.
Der Schreibstil ist klar und nüchtern, manchmal etwas gefühllos, aber nicht juristisch. Die Sätze sind kurz und einfach. Und gerade das fasziniert den Leser umso mehr. Man ist schockiert, berührt und nimmt an jedem geschilderten Schicksal teil.
Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, um niemandem die Vorfreude am Lesen zu nehmen.
Ferdinand von Schirach
Verbrechen
Piper Verlag GmbH, München 2009, 208 S.
€16,95
ISBN 978 3 492 05362 4
Und nächste Woche besprechen wir an dieser Stelle den gerade erschienenen Titel „Schuld“ vom selben Autor.