Aus dem Tagebuch einer Rechtbaldreferendarin
Liebes Tagebuch!
Es war einmal…das Staatsexamen! Nein, ich erzähle keine Märchen, es ist wirklich Realität: Ich habe es endlich hinter mir! Geschafft habe ich es – und geschafft bin ich auch. Allein für dieses befreiende Gefühl danach hat es sich gelohnt, zu studieren.
Vor der mündlichen Prüfung hatte ich mächtig Respekt. Ich glaube, es gibt nur sehr wenige Menschen, denen das anders geht und die sich ihr ganzes Leben lang auf den Tag der mündlichen Prüfung freuen… Dann war sie plötzlich da, die Mündliche. Eben noch an der Uni, jetzt auf unserer Showbühne, so kam es mir vor. Für Langschläfer sind solche Prüfungen echt nicht gemacht! Morgens um acht ging es los. Wir wurden einzeln aus dem Warteraum „abgeführt“ in den Vorbereitungsraum, und nach einer Stunde Vorbereitung wird man dann mit seinem Vortrag auf die Prüfer losgelassen. Dann geht es zurück in den Warteraum und dann wieder in die einzelnen Prüfungsabschnitte. Prüfungsraum, Warteraum, Prüfungsraum, Warteraum…und täglich grüßt das Murmeltier. Wenn man sich gerade mit dieser Prozedur abgefunden hat und schon davon ausgeht, für den Rest des Lebens nichts anderes mehr zu machen, dann ist das ganze Spektakel plötzlich vorbei. Irgendwann am Nachmittag.
An sich ist die mündliche Prüfung nicht schlimm. Schlimm ist das große Warten dazwischen. An alle, die es noch vor sich haben: Nehmt euch einen besten Freund mit, oder eine Yogamatte. Oder beides. Und was das Outfit angeht: Keep on chilling! Am Tag meiner mündlichen Prüfung bin ich sowohl schwarzen Lack-Peeptoes als auch Nasenpiercings begegnet. Zur allgemeinen Beruhigung nicht bei den Prüfern und nicht in Kombination…
Was ich aus dieser Prüfung fürs Leben gelernt habe? Wichtig ist, niemals aufzugeben! Auch nach einem verk..orksten Vortrag kann die restliche Prüfung spitzenmäßig laufen. Und wenn du unter den Prüfern einen Reiki-Meister zweiten Grades zu sitzen hast, dann weisst du sowieso, dass die Macht mit dir ist, egal, was passiert.
Und nun? „Was bist du denn jetzt?“, fragten meine Eltern, die Nicht-Juristen. Ja, was bin ich denn jetzt überhaupt (außer geschafft)?! Rechtbaldreferendarin, aber das war ich ja auch schon vorher. Auf jeden Fall noch keine Volljuristin, also wohl eher Halbjuristin. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Toll, wirklich toll. Und das nach einem anstrengenden Studium und einer nervenzerrenden Abschlussprüfung. Aber eins bin ich auf jeden Fall: froh, wahnsinnig froh, es hinter mir zu haben!