Emily Büning, Bundesvorsitzende der Grünen Jugend und Rechtsreferendarin in Potsdam, engagiert sich für die „Eine Welt“
Benedikt Vallendar
Berlin – „Mehr als 90 Prozent, die da sitzen, leben eh von Hartz IV“, sagt Emiliy Büning (25). Seit drei Monaten arbeitet die Rechtsreferendarin bei der Staatsanwaltschaft in Potsdam. Es klingt wie eine Entschuldigung für ihre tägliche Arbeit. Aber auch wie eine Anklage an die Zustände in der deutschen Gesellschaft und wie der Staat mit Armut und Ausgrenzung umgeht. Strafe und Repression seien „nicht die richtige Antwort“ auf soziale Probleme, sagt Büning. Die Mittzwanzigerin wohnt in Berlin in einer WG. Im „Nebenjob“, wie sie sagt, ist sie Bundesvorsitzende der Grünen Jugend, der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen. Bünings Familie lebt über den ganzen Erdball verstreut. Sogar in der Südsee hat die Tochter eines Juristen und einer Lehrerin schon Verwandte besucht. „Aufgewachsen und zur Schule gegangen bin ich in Hamburg“, sagt Büning. Sie hat als Studentin bei der UN Generalversammlung 2009 mit einer Rede die Interessen von Jugendlichen in Deutschland vertreten, das Auswärtige Amt in Jugendfragen beraten und möchte später in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ihre Brötchen verdienen. Ihr Abitur hat die junge Frau 2004 an dem als „links“ geltenden Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer im Hamburger Nobelviertel Eimsbüttel abgelegt. Was an dem Gymnasium „links“ gewesen sei? Büning bezieht das vor allem auf den damaligen, grünen Schulleiter. „Ich setze mich für die Rechte von MigrantInnen und Jugendlichen ein, für die Bekämpfung der Armut, im Kampf gegen den Klimawandel und für eine verbesserte Europäische Integration unter Aufrechterhaltung unserer BürgerInnen Rechte“, schreibt sie auf einer Seite im Internet.
Freischuss nach acht Semestern
Büning, die Jungpolitikerin ohne Politikpläne, spricht mehrere Sprachen fließend und hat nach knapp acht Semestern ihr erstes Staatsexamen, nach Studium in Madrid und an der privaten Bucerius Law-School (BLS) in Hamburg, mit „befriedigend“ bestanden. Unter Juristen gilt die BLS als Kaderschmiede für den künftigen Kollegennachwuchs. Das klingt nach Elitebildung und besserer Bildung für Kinder aus wohlhabenden Elternhäusern; ein Konzept, das Bünings Mutterpartei, bekanntlich, strikt ablehnt. Auf den vermeintlichen Widerspruch zwischen Politik und Privatleben angesprochen gerät Büning ein wenig in Erklärungsnot. Sie verweist auf „Stipendien“, die die BLS an finanziell schlechter gestellte Studenten vergäbe. „Ich wollte das mit dem Examen hinter mich kriegen, deshalb kam für mich nur der Freischuss infrage“, sagt sie über ihr schnell abgeschlossenes Studium. Was bei anderen Studenten Jahre dauert und wo am Ende viele durchfallen – in Jura knapp ein Drittel pro Staatsexamensdurchgang – hat Büning alles im Eiltempo durchgezogen. Und nebenher fleißig Politik gemacht. Seit 2009 steht sie an der Spitze der grünen Jugendorganisation, die, nach eigenen Angaben, mehr als 8.500 Mitglieder zählt. In einem sanierten Altbau in Berlin residiert die Geschäftsstelle, nur einen Steinwurf von der Katholischen Akademie des Erzbistums Berlins und zwei Häuserblocks vom U-Bahnhof Oranienburger Tor entfernt, in jenem Haus, wo die DDR-Staatssicherheit in den Siebzigerjahren den Liedermacher und 1976 ausgebürgerten Bürgerrechtler Wolf Biermann drangsalierte.
Büning ist kurz und dran, eine Musterkarriere als Topjuristin oder Politikerin hinzulegen, könnte man meinen. Und wer der jungen Frau zuhört, der bekommt tatsächlich den Eindruck: Da sitzt eine künftige Ministerin oder zumindest eine, die gut reden kann, vor einem. Büning doziert eloquent über Schulpolitik, Atomkraft, Stuttgart 21 und das „ungerechte Steuersystem“. Und sie zieht, wie es sich für eine linke Politikerin gehört, über das dreigliedrige Schulsystem her, betont die „innere Abgrenzung“ ihrer Organisation von der grünen Bundestagsfraktion und sagt, dass sie später „nicht vor habe, in die Politik zu gehen“. Dass gerade die Grünen 2003 in der Koalition mit Bundeskanzler Gerhard Schröder die Steuern gesenkt und zwei Jahre später Hartz IV eingeführt haben, hält Büning für einen Skandal.
Und wieder verfällt der Zuhörer einem Irrtum. Ihr Vorbild könnte der Politopi und grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele aus Berlin-Kreuzberg sein. Jener rot beschaalte Promianwalt, mit einer Vorliebe für Fahrradtouren durch den Berliner Kiez und Porschefahrten am Wochenende, könnte man meinen. Doch auch hier täuscht der Eindruck. Büning scheint sich mit wenigen aus ihrer Partei wirklich gut zu verstehen. Auch mit der SPD-Front-Frau und Generalsekretärin Andrea Nahles nicht, die, wie Büning, ähnliche Themen und Positionen vertritt und schon früh in die Politik ging. „Andrea Nahles ist nicht mein Vorbild“, sagt Büning mit einer abwehrenden Handbewegung. Außerdem kenne sie sie „nur am Rande“. Und dann wird es auf einmal richtig unpolitisch. Oder gerade nicht? „Darf ich mich eben schminken?“ fragt Büning, als es um Fotos für diesen Beitrag geht. Nach zehn Minuten kommt sie zurück. Kaum verändert, adrett und attraktiv wie vor der vermeintlichen Maskerade, denn von der Schminke ist wenig zu sehen. Emily Büning ungeschminkt, wie eh und je.