Compliance-Anwalt und Ex-Siemens-Führungskraft Dr. Carsten Thiel von Herff im Justament-Gespräch
Rechtsanwalt Dr. Carsten Thiel von Herff, LL.M, ist seit Mai 2010 Partner in der Sozietät Streitbörger Speckmann und befasst sich dort vor allem mit der Konzeption und Optimierung von Compliance-Systemen in Unternehmen. Zudem ist er Ombudsmann für die Beiersdorf AG, IKEA, EDEKA Südbayern, Hamburg Port Authority, Miele und die TÜV Nord AG. Bevor er Partner bei Streitbörger Speckmann wurde, war Herr Dr. Thiel von Herff einige Jahre als Führungskraft in der neuen Compliance-Abteilung von Siemens tätig. Dabei wirkte er an der Aufarbeitung des Siemens-Korruptionsfalles entscheidend mit und wurde im Dezember 2008 zum weltweit jüngsten Prokuristen des Konzerns ernannt.
Wie sind Sie zu Siemens gekommen?
Dr. Thiel von Herff: Durch eine Empfehlung meines Doktorvaters. Ich habe damals gerade meinen LL.M. in Schweden gemacht, als mich der Anruf erreichte. Danach ging alles ziemlich schnell und wenige Wochen später bin ich dann mit meinem alten Volvo direkt zu Siemens durchgestartet.
Worin bestand Ihre Arbeit dort?
Dr. Thiel von Herff: Anfangs habe ich vor allem Kartellverfahren betreut, mit der Durchsuchung durch die Münchener Staatsanwaltschaft im November 2006 begann dann eine neue Zeitrechnung. Quasi über Nacht war ich Mitglied einer Task Force, die direkt an den Finanzvorstand berichtete. Von da an habe ich korruptionsgefährdete Projekte weltweit aufgeklärt und – gemeinsam mit vielen hervorragenden Kollegen – das neue Compliance Programm entwickelt und für dessen Umsetzung gesorgt. Zudem habe ich für das Unternehmen einen Compliance-Helpdesk entwickelt und geleitet, den externen Ombudsmann betreut und die Verhandlungen mit der Weltbank geführt.
Wurden Ihnen auch Schmiergelder angeboten?
Dr. Thiel von Herff (lacht): Tatsächlich ist bei uns mal ein Briefumschlag mit Bargeld und ohne Absender eingegangen. Da hatte wohl jemand ein schlechtes Gewissen bekommen und das Geld „zurückführen“ wollen.
Weshalb wechselten Sie zu der Sozietät Streitbörger Speckmann?
Dr. Thiel von Herff: Ich wollte mein Compliance Know-How anderen Unternehmen, auch mittelständischen, anbieten, denn ich bringe nicht nur die theoretischen Grundlagen mit, sondern praktische Erfahrungen. Und ich weiß, wie Unternehmen funktionieren. Da ich aus der Region komme und meine erste Station als Anwalt bei Streitbörger verbracht hatte, lag es für mich nahe, „nach Hause“ zurückzukehren. Zudem wollte ich selbständig arbeiten und mich bewusst von den Kollegen in den Großkanzleien unterscheiden.
Wie unterscheidet sich die Tätigkeit eines Compliance-Verantwortlichen in einem Unternehmen von der rechtsanwaltlichen Compliance-Beratung?
Dr. Thiel von Herff: Um sämtliche Unterschiede aufzuführen, müsste ich weit ausholen. Der größte Unterschied ist aus meiner Sicht, dass sich der Compliance-Verantwortliche als Angestellter des Unternehmens vorwiegend um die täglichen Abläufe kümmern muss, zum Beispiel um das Berichtswesen. Als externer Compliance-Berater habe ich einen anderen Auftrag – von der Entwicklung kompletter Compliance-Systeme bis zur Betreuung staatsanwaltschaftlicher Verfahren.
Seit wann wird das Thema „Compliance“ in Deutschland diskutiert? Lässt sich eine bestimmte Entwicklung in dieser Branche in den letzten Jahren erkennen?
Dr. Thiel von Herff: Die Branche boomt und viele versuchen, auf den „Compliance-Zug“ aufzuspringen. Dabei ist es schon erstaunlich, was inzwischen alles unter Compliance fallen soll. Aber genau das spiegelt auch die Entwicklung wider: Aus eng umgrenzten Korruptions- und Haftungsfragen wird immer mehr ein umfassendes rechtlich geprägtes Risikomanagement.
Verraten Sie uns, wie Sie Ihre Mandanten akquirieren?
Dr. Thiel von Herff: Gerne, wenn ich das wüsste. Aus meiner Sicht gibt es kein Patentrezept, allerdings glaube ich, dass eine gute, solide Arbeit die Grundlage ist. Und natürlich gehört auch eine Portion Glück dazu.
Neben der Compliance-Beratung fungieren Sie in einigen Unternehmen als Ombudsmann. Welche Aufgaben hat ein Ombudsmann?
Dr. Thiel von Herff: Als Ombudsmann nehme ich Hinweise auf Wirtschaftsdelikte entgegen. Dabei bin ich nicht nur der Ansprechpartner und die Vertrauensperson für Mitarbeiter des Unternehmens, sondern auch für Geschäftspartner und andere Dritte. Ich werte die Hinweise aus und berate die Unternehmen zum weiteren Vorgehen.
Unsere Leser interessieren natürlich auch die Job-perspektiven für Berufseinsteiger. Was können Sie dazu sagen oder empfehlen?
Dr. Thiel von Herff: Die Perspektiven sind sicherlich gut. Allerdings halte ich nicht viel von einer ausschließlich theoretischen Compliance-Ausbildung, wie sie immer öfter in Seminaren angeboten wird. Ich halte es für besser, einen Schwerpunkt im Straf- und Gesellschaftsrecht zu setzen und in jedem Fall zunächst in ein Unternehmen zu gehen. So lernt man die Strukturen und Abläufe am besten kennen.
Vielen Dank!
Das Interview führte Justament-Autor Arnd Wiebusch.