Eine neue Biografie des Juristen Armin Fuhrer über Ernst Thälmann entlarvt den 1944 hingerichteten Kommunistenführer als erbitterten Demokratiefeind
Benedikt Vallendar
Zusammen mit Adolf Hitler, seinem ärgsten politischen Gegner, schmiedete der deutsche Kommunistenführer Ernst Thälmann in den Zwanzigerjahren die Sargnägel am morschen Gerüst der Weimarer Demokratie. Zu diesem Fazit kommt die neue Biografie des Juristen und Historikers Armin Fuhrer über Ernst Thälmann, den 1944 im KZ Buchenwald gewaltsam ums Leben gekommenen, ehemaligen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Intoleranz und Opportunismus schienen Thälmann in die Wiege gelegt worden zu sein. Sein Vater war einst wegen Hehlerei rechtskräftig zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Respekt vor fremdem Eigentum hat im Hause Thälmann offenbar nie eine große Rolle gespielt.
Mangelnder Respekt vor politisch Andersdenkenden und strategische Kurzsichtigkeit im komplexen, politischen Gefüge der Weimarer Republik ziehen sich wie ein roter Faden durch Thälmanns Leben. Schon lange vor Hitlers Machtantritt hatte der KPD-Führer keinen Hehl aus seiner Gesinnung gemacht. Von Demokratie hielt der Gelegenheitsarbeiter, Autodidakt und spätere Reichstagsabgeordnete ebenso wenig wie von Rechtsstaatlichkeit. Im März 1921 erklärte Thälmann vor der Hamburger Bürgerschaft: „Diesen Staat bekämpfen wir so lange, bis er nicht mehr als Staat existiert. Wir machen daraus absolut keinen Hehl. Wir haben keine Veranlassung, in dieser oder jener Beziehung gegen diese oder jene Person schonend vorzugehen.“
Das Leben des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann, geboren am 16. April 1886 in Hamburg, wurde später zu einer wahren Heldenlegende verklärt. Manch ehemaligen DDR-Bürgern ist er noch heute ein Begriff als „aufrechter Kämpfer für die Interessen der Arbeiterklasse“, knallharter „Gegner von Kapitalismus und Imperialismus“ und als „Vorbild für die proletarischen Massen“. Stolz trugen Schulkinder in der DDR das rote Halstuch der so genannten „Thälmann-Pioniere“.
Doch die Legende Thälmann hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. In Wahrheit traf »Teddy« – so sein Spitzname – als Marionette des Sowjet-Diktators Josef Stalin dramatische Fehlentscheidungen. Wie die Nationalsozialisten von rechts, so bekämpften die Kommunisten unter seiner Führung die Weimarer Republik und die parlamentarische Demokratie von links. Anstatt mit der SPD gemeinsam gegen die braune Gefahr zu kämpfen, galten die Sozialdemokraten lange Zeit als Hauptgegner. So lange, bis die Nazis an der Macht waren und viele ihrer Gegner, darunter zahlreiche Kommunisten, brutal ermordeten.
Als Thälmann 1933, kurz nach der Machtergreifung, von den Nazis inhaftiert wurde, benutzte Stalin ihn als Märtyrer und ließ ihn elf Jahre lang im Gefängnis schmoren, statt sich bei Hitler für die Freilassung des KPD-Chefs einzusetzen.
Der Jurist Fuhrer liefert mit dieser Biografie eine fundierte Neubewertung des politischen Lebens Ernst Thälmanns, der ungewollt einer der Wegbereiter Hitlers wurde.
Armin Fuhrer
Ernst Thälmann. Soldat des Proletariats
Olzog Verlag München 2011
352 S. m. 12 Abb., geb.
26,90 Euro
ISBN-10: 3789282367