Muss Nofretete zurück nach Ägypten?

Justament-Debatte über Kunstwerke mit fragwürdiger Herkunftsgeschichte

Die schönste Berlinerin hat selbstverständlich einen Migrationshintergrund. Und wie es sich für eine echte Prominente gehört, gibt es von ihr natürlich auch geheime Nacktfotos im Internet. Da muss doch so ein antiker Paparazzo die Königin von Ägypten um 1350 v. Chr. beim Bade überrascht und blitzschnell zu Hammer und Meißel gegriffen haben …

Doch geht es nach der ägyptischen Regierung, soll unsere Nofretete (also ihre Büste) schleunigst aus dem Neuen Museum in Berlin die Heimreise nach Ägypten antreten. Es könne nicht sein, dass eines der wichtigsten ägyptischen Kunstwerke im fernen Europa herumstehe. Und außerdem sei bei der Überführung des 50 cm hohen Fundstücks, das der Berliner Ägyptologe Ludwig Borchardt im Dezember 1912 ausgegraben hatte, nachdem es 3000 Jahre im Wüstensand verscharrt war, nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Borchardt habe die Büste nämlich mit Matsch eingeschmiert, um ihren Wert vor dem ägyptischen Antikendienst zu verbergen.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bestreitet eine Täuschung. Nach damaligem Recht bestand für Ausgrabungen in der seinerzeit französischen Kolonie Ägypten das Prinzip der Fundteilung: Eine Hälfte der Fundstücke ging in das Land, das die Ausgrabung durchgeführt hatte, die andere Hälfte musste in Ägypten bleiben. Alle Objekte seien vor dem Abtransport 1013 genau in Listen erfasst gewesen. Es habe auch Fotografien von den wichtigsten Stücken gegeben. Und alle Kisten hätten offen zur Begutachtung bereitgestanden, aber die Ägypter hätten nun mal alles durchgewunken.

Aber, so denkt der Jurist, was ist denn hier mit  Treu und Glauben? Und was mit der moralischen Dimension? Bald wird man uns Deutsche wieder mit dem N-Wort beschimpfen. Andererseits muss es doch nach fast hundert Jahren auch eine Art Bestandsschutz geben. Und wohin soll das führen, wenn womöglich auch noch die Türkei unseren Pergamon-Altar zurückhaben will. Ach so, das will sie schon?  Ja also, was sollte man da tun? Wie seht Ihr das, liebe Leserinnen und Leser unseres gepflegten Magazins? Die Debatte ist eröffnet.

Die Redaktion

Veröffentlicht von on Okt 10th, 2011 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

8 Antworten for “Muss Nofretete zurück nach Ägypten?”

  1. Johannes K. sagt:

    Einfach aussitzen und nichts hergeben! Machen doch alle in der ganzen Welt so. Wenn wir erst anfangen, etwas herauszurücken, dann können wir bald unsere ganze Berliner Museumsinsel dichtmachen, außer der Alten Nationalgalerie.

  2. Nichtbettina sagt:

    Kaum gibt man den Ägyptern das linke Auge, wollen sie gleich die ganze Büste :P

  3. Rüdiger R. sagt:

    Nee Leute, das ist alles längst nicht so witzig und harmlos, wie es hier scheint. Man darf nicht vergessen, dass solche letztlich ergaunerten (und oft ja auch geraubten) Kunstschätze bis heute Symbole des europäischen Imperialismus sind und somit eine nicht unerhebliche permanente Provokation der Herkunftsländer. Und wir wissen auch noch nicht, wer jetzt wirklich in Ägypten ans Ruder kommt und ob die nicht irgendwann mal ganz andere Saiten aufziehen werden …

  4. Simon W. sagt:

    Man sollte nicht vergessen, was sich Ende Januar dieses Jahres ereignet hat:
    Das Ägyptische Museum in Kairo – oder nennen wir es doch lieber den „Louvre des Orients“ – wurde während der Revolution geplündert. Einige Schätze zerstört.
    Solange sie nicht für die Sicherheit der Exponate garantieren können, geht die Erhaltung des Kulturerbes vor.
    Wie hat es der gestern ausgezeichnete Boualem Sansal formuliert: Erst wäre nicht das Erste Mal, dass trotz (Teil-)Revolution alles wieder wie früher würde.

  5. Christina M. sagt:

    Also in diesen Zeiten würde ich nichts nach Ägypten ausliefern. Bis nicht geklärt ist, wie sich das Land politisch entwickelt und man mit einer Regierung verhandelt, die das Interesse des Volkes und damit ihr Erbe angemessen vertritt. Ansonsten kann man natürlich verstehen, dass sie ihr Kulturerbe wahren wollen – aber die Zeiten für das Land der „Pharaonen“ sind unsicher, da gilt es Nofretete zu schützen.

  6. Oktavian sagt:

    Die Nofretete gehört zu Berlin wie Buletten, Stullen und die berühmte „Berliner
    Luft“. Mögliche juristische Einwände ändern daran nur wenig. Die Büste ist nicht
    zuletzt ein beredtes Symbol für die engen kulturellen Verbindungen zwischen Ägypten
    und Deutschland. Und – glaubt die ägyptische Regierung wirklich, dass sich wegen nur
    einer Statue die Besucherzahlen in den heimischen Museen drastisch erhöhen
    würden…??! Wohl kaum.

  7. Florian W. sagt:

    Wie würde die Diskussion verlaufen, wenn es umgekehrt um deutsche Kulturschätze gehen würde, die in früheren Zeiten exzessiv mitgenommen worden wären?
    Eine andere Frage ist die, ob im Herkunftsland solch stabile Verhältnisse bestehen, dass das betreffende Objekt sicher und substanzerhaltend aufbewahrt werden kann.

  8. Es ist schwierig nach 100 Jahren das Richtige zu tun. Ich habe gelesen, dass Borchard die Büste der Königin angeblich bewusst infolge der Halbierung der Relikte (die Hälfte für Ägypten die ander Hälfte für das Land des Ausgräberteams) versteckt / verschmutzt hat. Ob das stimmt weiß ich nicht, kann wohl heute auch keiner nachvollziehen, was damals wirklich geschah. Dennoch bin ich dafür, dass diese Büste in Berlin bleibt., denn wenn man die chaotischen Verhältnisse in Ägypten betrachtet, so kann ich nicht glauben, dass die Büste dort besser aufgehoben wäre als in Berlin.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!