Justament-Klassiker: Pinars Tagebuch, Oktober 2007
Aus dem Tagebuch einer Rechtsreferendarin
Liebes Tagebuch,
die letzte Woche hatte ich viel Zeit dir zu schreiben. Das wird diese Woche wohl auch so sein. Ich habe nämlich immer noch Einführungslehrgang für meine erste Anwaltsstation. Mein Gott ist das langweilig. So viele Referendare fahren aus der ganzen Umgebung nach Bruchsal um dort ihre Zeit abzusitzen. Aber wir wussten, was uns erwartet, schließlich hatten uns unsere älteren Referendarkollegen schon davor gewarnt und uns empfohlen eigenen Lesestoff mitzubringen. Mein Repetitor meinte: „Niemand sagt mir in den nächsten zwei Wochen, er habe keine Zeit gehabt die Klausur zu lösen, schließlich habt ihr die nächsten zwei Wochen Einführungslehrgang und für irgendwas müssen diese zwei Wochen vergeudete Zeit doch nützlich sein.“ Ich lachte über alle lustigen Geschichten und Mythen um den Einführungslehrgang und dachte mir, dass das so schlimm ja nicht sein kann und die Leute gerne übertreiben. Ich versuchte mich positiv zu stimmen. Meine kühnsten Erwartungen wurden übertroffen. Am allerersten Tag musste ich mir sagen lassen, dass es nirgendwo soooo schlechte Berufsaussichten gibt wie für Juristen. Dieser Anwalt in seinem schicken Anzug stellt sich da vorne hin und erklärt uns allen tatsächlich mehr oder minder, was für ein Scheiß so ein Jurastudium überhaupt ist und wir nur zu bedauern sind. Man studiert so lange, um dann für einen Hungerlohn arbeiten zu müssen in Kanzleien, die einen nur ausbeuten und wie Sklaven behandeln. So ein Mist, das hätte man uns doch vor Beginn des Studiums sagen müssen. Dann hätte ich nämlich auf meine Mutter gehört und Grundschulpädagogik studiert. Glaube ich zumindest. Aber in diesem Stadium der Ausbildung mit so etwas zu kommen und uns alle nur depressiv zu stimmen, ist ja wohl bei einem Einführungslehrgang fehl am Platze. Ich bin so sauer….eine Stunde lang bin ich durch die Pampa gefahren, um mir so etwas sagen zu lassen. Aber schließlich konnte es ja nur noch besser werden. Nun ja, zwar habe ich mein zweites Examen immer noch nicht in der Tasche, aber dennoch sollte ich in den Tagen darauf hier lernen, wie man eine eigene Kanzlei eröffnen und organisieren kann. Dann habe ich wohl die letzten Tage alles völlig falsch verstanden, dass es viel zu viele Kanzleien und viel zu viele Anwälte gibt. Nun, vielleicht ist das hier ja eine völlig verworrene Verschwörung und man will uns nur vom Arbeitsmarkt fernhalten oder als Berufsanfänger ohne Erfahrungen, die eine eigene Kanzlei eröffnen, in den Ruin treiben. Aber wieso stoppt man diesen Irrsinn nicht und verschwendet solch große Summen an Geld für einen Lehrgang, zu dem keiner möchte. Auch die Ausbilder an den Gerichten wissen, dass dieser Lehrgang völlig unnütz ist. Die machen es sich aber ganz einfach und behaupten, die Anwaltskammer bestehe auf diesem Einführungslehrgang. Das lustige ist, dass die Anwaltskammer, als sie auf den Einführungslehrgang angesprochen wurde, wiederum behauptet hat, dass die Oberlandesgerichte darauf besten würden. Na ja, schließlich gewöhnt man sich so an sein künftiges Leben im Anwaltsberuf oder in der Justiz: Es wird nur gelogen und betrogen. So, aber jetzt muss ich endlich meine Klausur lösen…..sonst gibt’s Ärger vom Repetitor.
Deine Pinar