Justament-Klassiker: Pinars Tagebuch, April 2008
Liebes Tagebuch,
je näher das Staatsexamen rückt, desto mehr sinkt meine Stimmung. Na klar, das liegt in der Natur der Sache. Es geht mal wieder „ums Ganze“ und das ein letztes Mal. Ein allerletztes Mal, aber irgendwie bin ich darüber nicht erleichtert. Mit meiner wieder eingetretenen Examenspanik befinde ich mich in guter Gesellschaft. Meinen Kollegen aus dem Referendariat geht es nicht anders. Doch das Schlimmste sind für mich meine Examens-Zipperlein, die mittlerweile wieder ein enormes Ausmaß angenommen haben. An die Schlafstörungen denke ich dabei gar nicht, schließlich bekämpfe ich diese mit Schlafmitteln und ein paar Gläsern Rotwein vor dem Schlafengehen mehr oder minder erfolgreich. Aber mit ständigem Herzrasen, Panikattacken und Rückenschmerzen lässt es sich nicht wirklich gut lernen. Ein weitverbreitetes Problem, wie mir durch eine Umfrage im Kreise meiner Referendar-Kollegen klar wurde. Einige von Ihnen hatten auch einen Bandscheibenvorfall oder Panikattacken. Schlafstörungen waren bei allen gängig. Manche leiden allerdings mehr als andere. Doch werden sich die Depressionen, Nervenzusammenbrüche oder Panikattacken am Ende überhaupt für alle gelohnt haben? Ich weiß es nicht.
Auch wenn man so schön sagt „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, empfinde ich es nicht so. Mittlerweile meide ich meine Kollegen. Die Besuche in meiner Arbeitsgemeinschaft verstärken meine Ängste und Sorgen immer mehr. Es herrscht eine allgemeine Stimmung der Panikmache. Jedes Mal bekomme ich gesagt, in wie viel Wochen oder sogar in wie viel Tagen das Examen beginnt.
Manchmal, wenn ich wieder nachts so daliege und nicht schlafen kann, dann beschleicht mich immer wieder das Gefühl und die Frage, ob dieser Stress es überhaupt wert ist. Nicht nur die Zeit vor dem Examen, sondern auch die zwei Wochen Examensstress und die anschließende mehrmonatige Warterei auf die Ergebnisse zehren an Nerven, Stimmung und Gesundheit. Das kann doch so nicht in Ordnung sein. Ein Schrecken ohne Ende. Es reicht endlich! Natürlich leiden auch andere Studenten an Prüfungsangst, aber mir kann keiner erzählen, dass diese Ängste in anderen Fachrichtungen solche Ausmaße annehmen wie bei uns Juristen. Nun ja, man hat es sich ausgesucht und muss jetzt durch…so meint man immer, aber ich weiß nicht, ob ich wirklich da durch muss und soll. Ist der Preis dafür, die eigenen Gesundheit, nicht zu hoch? Das ist eine äußerst schwierige Frage, die jeder wohl für sich selbst entscheiden muss. Und dass es eine äußerst schwierige Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen ist, macht es noch schwieriger. Vor allem, wird es mit einer Entscheidung gegen das Examen tatsächlich leichter???
Deine Pinar