Recht cineastisch, Teil 13: „Russendisko“ nach Wladimir Kaminer – jetzt auf DVD!
Thomas Claer
Wer mit Anfang oder Mitte zwanzig in eine aufregende, noch unfertige, große und bunte Stadt kommt und dort zahlreiche verrückte Abenteuer erlebt, hat dort vielleicht die besten Jahre seines Lebens. So geht es im Film „Russendisko“ – frei nach dem gleichnamigen autobiographischen Erzählungsband von Wladimir Kaminer aus dem Jahr 2000 – drei jungen Russen, die im Juli 1990 nach Berlin kommen und dort trotz ihrer mehr als prekären Lebensumstände eine berauschende Zeit durchleben. Zunächst sind Wladimir, Andrej und Mischa im Ausländerwohnheim in Marzahn untergebracht. Die beiden ersteren haben von der „gewendeten“ (Noch-) DDR aufgrund ihres Judentums „humanitäres Asyl“ erhalten. Wladimirs Vater hatte seinem Sohn dringend zur Auswanderung nach Berlin geraten, denn dass die Freiheit in Russland Einzug hält, das könne nicht von Dauer sein. (Welch prophetische Worte!) Als das Besuchervisum von Mischa abgelaufen ist, flüchten die drei Freunde aus dem Ausländerheim und wohnen fortan noch beengter in einem Auto, das sie sich unter mysteriösen Umständen verschafft haben. In der Erwirtschaftung ihres Lebensunterhalts sind die drei erfinderisch, aber die Stadt macht es ihnen auch nicht allzu schwer. Andrej beginnt mit Bierdosen zu handeln, die er im Supermarkt einkauft und auf dem Alexanderplatz an Passanten verhökert. Später entdeckt er als lukratives Geschäftsfeld die Veräußerung von Original-Bruchstücken aus der Berliner Mauer an Touristen. Mischa spielt Gitarre auf der Straße und auf Plätzen. Nur Wladimir, der Lustigste von allen, der anfangs noch mit einem Hut das Geld für Mischas Gitarrenspiel einsammelt, weiß so gar nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Die Erlösung kommt, als seine Eltern aus Moskau ihrem Sohn nach Berlin folgen und ihm seine geliebte Schallplattensammlung mitbringen. Fortan veranstaltet er im Cafe Burger in der Torstraße in Mitte die bald schon zu großer Berühmtheit gelangende „Russendisko“. Das zahlreiche russisch-jüdische und später immer gemischter werdende Publikum ist begeistert. Inzwischen hat er mit der von der Insel Sachalin stammenden Tänzerin Olga, deren Herz er gewinnt, indem er ihr fortwährend unwahrscheinliche Geschichten erzählt, auch seine große Liebe gefunden. Zwar gelingt es dem Film recht gut, die Stimmung jener Jahre einzufangen. Doch unbedingt vorzugswürdig sind und bleiben Wladimir Kaminers Hörbücher – mit starkem russischem Akzent.
Russendisko
Deutschland 2012
Regie: Oliver Ziegenbalg
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
100 Minuten, FSK: 6
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Friedrich Mücke, Christian Friedel, Peri Baumeister u.v.a.