Go East

„Im Osten geht die Sonne auf“, sagte sich der Jurist Eduardo Martínez Moriano  (36). In Israel arbeitet der Spanier erfolgreich für eine Softwarefirma – derweil seine Heimat wirtschaftlich am Boden liegt

Benedikt Vallendar

Strand von Tel Aviv (Foto: Vallendar)

Strand von Tel Aviv (Foto: Vallendar)

Tel Aviv – In fließendem Hebräisch bestellt Eduardo Martínez Moriano  die Getränke. Es folgt ein kurzes Tete à Tete mit der hübschen Kellnerin, und dann geht das Gespräch auf Spanisch, seiner Muttersprache weiter. Auch Englisch und Französisch beherrscht der Jurist fließend. In Hebräisch hat er letztes Jahr einen Kurs belegt, sagt er, und den Rest „auf der Straße“ gelernt. Schon als kleiner Junge träumte Eduardo Martínez Moriano  von der „großen, weiten Welt“, wie er sagt. In der Schule war Geschichte sein Lieblingsfach, parallel besuchte der Spanier Deutschkurse am Madrider Goethe-Institut und lebte mit seiner Familie drei Jahre in den USA. Eduardos Mutter hat französische Literatur studiert, mit Fremdsprachen sind er und seine beiden Geschwister, darunter eine Investmentbankerin, groß geworden.

Boomtown im Nahen Osten

Auch Deutsch spricht Moriano fast fließend, dank eines Erasmusstipendiums für Frankfurt am Main im Wintersemester 1999/2000. Dort hat er seine Ehefrau Victoria kennen gelernt, ebenfalls Juristin, die heute im spanischen diplomatischen Dienst arbeitet.  Im Auftrag der spanisch-israelischen Beratungsgesellschaft 4-Innovation vertreibt Martínez Moriano  von Tel Aviv aus Computerprogramme in aller Welt. Er pflegt bestehende Firmenkontakte, beobachtet und analysiert weltweit die Märkte. Immer wenn sich für seine Firma eine Chance auftut, bemüht er sich um neue Aufträge. In Spanien herrscht Arbeitslosigkeit, im Nahen und Mittleren Osten kriselt es seit Jahrzehnten. Doch hier in Israel pulsiert das Leben, auch wirtschaftlich. Martínez Moriano  ist erfolgreich, die große Konkurrenz betrachtet er als „Herausforderung“ (reto). Mehr als tausend Softwarefirmen gibt es zurzeit in der israelischen Millionenmetropole am Mittelmeer. Tendenz steigend. Tel Aviv ist weltoffen, jung und international. Englisch ein wichtiges Kommunikationsmittel im Alltag. Reichhaltig und bunt sind die Gastronomie und das Angebot an Waren und Dienstleistungen, vor allem im Freizeit- und Bildungsbereich.

7.000 Euro für eine Eigentumswohnung – pro Quadratmeter

Eduardo Martínez Moriano und seine Frau Victoria (Foto: Vallendar)

Eduardo Martínez Moriano und seine Frau Victoria (Foto: Vallendar)

Auch Militärs, deren Regierungen mit Israel diplomatische Beziehungen pflegen, gehören zu Morianos` Kunden, sagt er. Israel ist zwar kein NATO-Staat, könnte aber im Ernstfall mit militärischer Unterstützung durch das westliche Bündnis, also auch aus der Bundesrepublik rechnen. Martínez Moriano  steht mit seinem Blackberry nahe der Yavne Street, schaut übers Meer und koordiniert die nächsten Geschäftstermine. Alles läuft bei ihm online. Im Grunde ist Moriano fast immer online, auch nachts, wie es sich manchmal an der Statusmeldung seines Skype-Accounts ablesen lässt. Der Tag ist im Israel mit Meetings und Videokonferenzen rund um den Globus ausgefüllt. Hinzu kommen Vertragsverhandlungen, bei denen es um Abschlüsse in Millionenhöhe geht. Sein Laptop ist Büroersatz, der klimatisierte Toyota-Landcruiser längst zur Schaltzentrale für wichtige Entscheidungen geworden. Einmal im Monat sitzt der Vertriebsspezialist mit dem Vorstand von 4-Innovation zusammen und bespricht die laufende Unternehmensstrategie. Martínez Morianos` Terminkalender ist voll. Immer wieder klingelt das Handy, oder es ertönt das Zeichen für eine eingetroffene SMS. Nur eine knappe Stunde hat er für das Gespräch Zeit. Vor ihm stehen eine eiskalte Cola light mit Zitrone, ein kleines Bier und eine Käsetorte, natürlich koscher hergestellt. Summerfeeling in the Middle East, leichte Windbrisen biegen den Sonnenschirm hin und her. „Juden, die in der Fremde leben, träumen von Tel Aviv, wenn sie Heimweh haben“, sagt Martínez Moriano . Wer es sich hier am Strand gutgehen lässt, der versteht, warum das so ist. Die Sonne steht hoch am Himmel. Es sind fast 35 Grad im Schatten. Im August ist es in Israel am heißesten. Strandschönheiten in knappen Bikinis flanieren am Strand entlang, derweil das Meer mit seichten Wellen Sand und Muscheln an Land spült. Junge Leute in Montainbikes und Sonnenbrille rollen gemächlich über die Strandpromenade.

Martínez Moriano spricht über sein Leben in der israelischen Megacity Tel Aviv. Knapp drei Milliionen Menschen leben dort, mit steigender Tendenz, denn viele Juden möchten in Israel leben, betrachten das Land am Jordan als ihre eigentliche Heimat„ auch wenn sie woanders geboren wurden. Doch das hat seinen Preis. „Mehr als 7.000 Euro Kaufpreis für einen Quadratmeter Eigentumswohnung sind hier nichts Ungewöhnliches“, sagt  Martínez Moriano . Kapital aus aller Welt fließt zurzeit nach Israel, entsprechend boomend ist die Bauindustrie. An der Strandpromenade wird gebaut und gebaut. Höher, moderner und das Ganze aus Glas und Stahl. Wer es sich leisten kann, blättert in Tel Aviv für eine 120-Quadratmeter-Wohnung im 23. Stock mit Meeresblick locker eine Million Euro pauschal hin. Die Nachfrage erlaubt es. Schöner lässt sich Geld nicht anlegen oder vor dem heimischen Fiskus verstecken, werden sich so manche internationalen Kaufinteressenten denken. Wer es eher traditionell mag, investiert in Tel Aviv in eines der knapp viertausend Bauhaus-Häuser, die in den Dreißigerjahren aus Deutschland emigrierte, jüdische Architekten hier errichtet haben. Viele Häuser waren in den Achtzigerjahren dem Verfall preis gegeben. Doch die Stadtverwaltung von Tel Aviv hat das Problem erkannt und Anreize geschaffen, in die historische Bausubstanz zu investieren.

Silicon Valley des Ostens

In Israel hat der Jurist und Softwareberater Eduardo Martínez Moriano beruflich Fuß gefasst. (Foto: Vallendar)

In Israel hat der Jurist und Softwareberater Eduardo Martínez Moriano beruflich Fuß gefasst. (Foto: Vallendar)

Doch nicht nur Architekturbüros, Immobilienmakler und Baufirmen profitieren vom Boom. „Tel Aviv gilt als Silicon Valley der Hightech-Industrie, und daher gibt es hier vielerorts kostenloses W-LAN“, sagt Martínez Moriano. „Davon können wir in Europa ja bekanntlich nur träumen“, sagt er schmunzelnd. Dass Israel heute eine weltweit wichtige Werkbank für innovative Softwareprodukte ist, hat auch etwas mit dem unbefangenen Umgang der Israelis mit dem Internet zu tun. „Über Datenschutz im Netz machen sich hier allenfalls die Militärs und der Geheimdienst Gedanken“, sagt Moriano. Der Privatmann surft, was das Zeug hält, mobiles Internet gehört hier zum Alltag wie Zahnbürste und Schuhcreme.

Als Moriano nach dem Abitur an einer Privatschule im Madrider Nobelvorort Alcobendas 1996 mit dem Jura-Studium begann, stellte der Sohn eines ehemaligen Kampfpiloten der spanischen Luftwaffe früh die Weichen für eine Karriere im Ausland. Internationales Privatrecht, Handelsrecht und Völkerrecht waren seine Schwerpunkte an der staatlichen Universidad Autónoma in Madrid. Nach der Licenciatura, das in etwa dem deutschen ersten Staatsexamen entspricht, hat Martínez Moriano  knapp drei Jahre für die spanische Regierung gearbeitet, bis seine Frau Victoria auf ihre erste Mission nach Israel versetzt wurde. Eduardo arbeitete zunächst weiter für die spanische Regierung und organisierte unter anderem Infrastrukturmaßnahmen in den Palästinensergebieten, bis er  den Job quittierte. Seitdem widmet sich der Jurist neuen Herausforderungen, auf die er angesichts der vielen Möglichkeiten, die Israel bietet, nicht lange warten musste. An den Wochenenden reisen er und seine Frau Victoria viel durchs Land, genießen die Kultur und die atemberaubende Landschaft, wenn sie nicht gerade in ihrer großräumigen Tel Aviver Wohnung sitzen und Schreibtischarbeiten erledigen. Schon bald wird es mit den ruhigen Wochenenden vorbei sein, denn Ehefrau Victoria ist schwanger. In zwei Monaten erwarten sie ihr erstes gemeinsames Kind. Es wird ein Junge sein.

Internet:

www.4-innovation.com

Veröffentlicht von on Dez. 10th, 2012 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES, UND DANACH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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