Versuch macht klug

Justament-Klassiker: Pinars Tagebuch, September 2008

Liebes Tagebuch,

ich fühle mich momentan völlig überfordert. Mir wächst irgendwie alles über den Kopf, mein Referendariat, die viele Lernerei und meine Nebenjobs. Das alles hat mir auch noch auf die Gesundheit geschlagen… Ich bin nur noch ständig krank. Das Schöne am krank sein ist, dass ich im Bett liege und den ganzen Tag Fernsehserien gucken und meinen Gedanken nachhängen kann. Vor allem mag ich die alten Serien wie „Ein Colt für alle Fälle“, „Hart aber herzlich“, Trio mit vier Fäusten“ oder Remington Steele. Da kann ich dann so richtig auf der Nostalgiewelle reiten. Obwohl ich mich bei Remington Steele immer sehr darüber aufrege, dass die Frau die ganze Arbeit macht und der männliche Held nur die Lorbeeren einkassiert. Doch am meisten fahre ich auf die Heile-Welt-Serien ab. So wie die Bill Cosby Show, eine große glückliche Familie, die über alle Probleme reden kann und diese auch immer löst. Wäre es doch im richtigen Leben auch so… Im Alltag schweigt man lieber über Probleme und frisst sie in sich hinein, statt einfach darüber zu reden. Das Problem: Man steigert sich dann noch mehr hinein. Die Folge ist, dass dadurch Probleme immer größer erscheinen, als sie tatsächlich sind. Das lässt sich auf das Berufsleben, genauso wie auf den privaten Bereich übertragen. Oft sind es nur Kleinigkeiten: ein falsches oder missdeutetes Wort, man fühlt sich übergangen oder nicht genügend berücksichtigt… Die Möglichkeiten sind endlos. Andererseits läuft man aber große Gefahr, dass man beim Ansprechen von Problemen sein Innerstes preisgibt. Doch manchmal, da muss man einfach ins kalte Wasser springen und ein Risiko eingehen und Dinge ansprechen. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Und wenn es nach hinten losgeht, dann ist das auch egal! Schließlich weiß man, dass man es riskiert hat, und kann schon alleine deswegen stolz auf sich sein.
Aufgrund meiner Fehlzeiten im Ref. wurde ich von meinem Ausbildungsleiter zu einem Gespräch einbestellt. Beflügelt von meinen Gedanken bin ich zu ihm hin und habe ihm erklärt, dass ich neben meinem Referendariat her noch arbeiten muss, weil mich meine Eltern nicht finanziell unterstützen können und es für mich nicht in Frage kommt, irgendwelche Unterhaltsbeihilfen zu beantragen. „Es haben nun mal nicht alle vermögende Eltern“, teilte ich ihm mit. „Na ja, und diese viele Arbeit hat mir dann leider auf die Gesundheit geschlagen“, versuchte ich mich zu rechtfertigen. Da stand ich nun: ein wenig stolz, dass ich meinen Mut zusammen genommen habe, um die Wahrheit zu sagen und gleichzeitig auch beschämt, dass ich Persönliches preisgegeben habe. Die Antwort, die ich mir erhofft hatte, bekam ich natürlich nicht. Schlimmer noch, ich bekam ein nüchternes und kaltes: „Dann hätten Sie halt nicht mit dem Referendariat anfangen sollen, wenn sie es sich nicht leisten können“. Tja, was soll ich dazu sagen, manchmal geht’s halt auch daneben, aber ich weiß, dass ich es wenigstens versucht habe…

Deine Pinar

Veröffentlicht von on Feb 18th, 2013 und gespeichert unter LIEBES TAGEBUCH, PINAR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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