Neue Wege

Anna Calvi auf ihrer zweiten Platte „One Breath“

Thomas Claer

anna-calvi-coverWer Anna Calvi noch nicht kennt, sollte unbedingt zuerst deren allein mit ihrem Namen betiteltes Debüt-Album von 2011 hören. Damals wurde die 1980 in London geborene Halb-Italienerin als eine der ganz großen Hoffnungen der Popmusik gefeiert, und das völlig zu recht. Es war ein packendes, ein überwältigendes Album, auf dem sich die klassisch geschulte Multiinstrumentalistin, die besonders meisterhaft Geige und Gitarre spielt, zwar vernehmlich an ihren großen Vorbildern PJ Harvey und Nick Cave orientierte, aber dennoch ganz eigene Akzente setzte. Immer haarscharf am Rande des Wahnsinns operierend präsentierte sie ihre grandiosen Songs mit einem innbrünstigen Gesang, von dem man einfach nicht genug kriegen konnte. Bei genauerem Hinhören entdeckte man in den Stücken zwar durchaus auch Fehler und Schwächen, ein Zuwenig hier oder – häufiger – ein  Zuviel dort; aber so wie umgekehrt makellose Schönheit ja meistens eine ziemlich langweilige Sache ist, zog diese Musik gerade daraus ihren besonderen Reiz. Kurz gesagt: Das Urteil für Anna Calvis Debüt lautete: gut (13 Punkte).
Umso gespannter hat man ihrer neuen Platte entgegengefiebert. Das Positive zu „One Breath“  ist aber leider schnell gesagt: Anna Calvi ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, versucht sich nicht zu wiederholen, sondern geht mutig neue Wege. Doch genau das ist diesmal einigermaßen schief gegangen. Alles ist irgendwie ziemlich süßlich und melodisch geradeaus geraten. Und ausufernde weibliche Background-Chorstimmen sind in der Popmusik eigentlich immer problematisch (aber das will ja auch Björk schon seit über einem Jahrzehnt nicht wahrhaben). Ganz sicher ist diese CD mit ihren vielen unnötigen Effekten auch überproduziert, aber das Hauptproblem liegt eher woanders: Zwar sind die Songs vielleicht nicht wirklich schlecht, aber am Ende doch allesamt einfach nur gewöhnlich, was für eine so ungewöhnliche Musikerin wie Anna Calvi nun einmal zu wenig ist. Und was womöglich noch schlimmer ist: Während in ihrem Debüt noch schlichtweg alles passte, insbesondere die Lieder und deren Interpretin vortrefflich miteinander harmonierten, wirkt hier doch vieles aufgesetzt und artifiziell, man möchte fast sagen: gekünstelt. Eine Platte, der ein wenig die Seele fehlt. Das Urteil lautet daher: befriedigend (8 Punkte).

Anna Calvi
One Breath
Domino Records (Goodtogo) 2013
€ 13,99,- (bei Amazon)
ASIN: B00EKJQCVI

Veröffentlicht von on Okt. 21st, 2013 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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