Die Berliner Strafverteidigerin Pamela Pabst ist von Geburt an blind – und hat darüber ein Buch geschrieben
Benedikt Vallendar
Berlin – Ein Strafrichter muss Angeklagten in die Augen blicken können. So schreibt es die Strafprozessordnung vor. Daher blieb Pamela Pabst der öffentliche Dienst verschlossen. Jedoch nicht die schwarze Robe, die mit ihrem Berufsbild verbunden ist: Mit einem schweren Sehfehler kam die Berlinerin 1978 zur Welt und ist heute die erste blinde Strafverteidigerin der Bundesrepublik.
Seit Abschluss ihrer Ausbildung verteidigt sie Mörder, Dealer, Räuber und Vergewaltiger vor Gericht, immer bestrebt, das „Beste“ für ihre Mandanten herauszuholen. Ihre Erlebnisse, ihren Werdegang seit der Schulzeit hat sie in ein Buch gefasst. Und der Titel „Ich sehe das, was ihr nicht seht“ erscheint fast wie ein Motto für das, was Anwältin Pabst tagtäglich bei ihrer Arbeit erlebt: Sie kann einem beschuldigten Mandanten zwar nicht in die Augen blicken, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Aber sie besitzt von jeher ein feines Gespür dafür, um an der Stimme eines Menschen zu erkennen, was in seinem Innern vorgeht – ob er etwas auf dem Kerbholz hat oder die Wahrheit spricht.
Während des Studiums an der FU Berlin lässt Pamela Pabst alle Standardbücher auf Kassette aufnehmen. Kommilitonen lesen ihr gegen Bezahlung aus den Büchern vor, die sie für ihre Hausarbeiten benötigt. Für das erste Staatsexamen darf sie sieben Stunden statt fünf an den neun Klausuren schreiben. Und bekommt dabei Unterstützung durch eine fachfremde Hilfskraft: Die Ehefrau ihres ehemaligen Lateinlehrers darf ihr nach Anweisungen die passenden Stellen aus den Kommentaren vorlesen. Einen Juristen an ihrer Seite ließen die Prüfungsregeln nicht zu. In einem separaten Raum darf Pamela Pabst zudem an ihrem sprechenden Notebook schreiben, zum Lesen des Bildschirminhalts ist daran zusätzlich eine Braillezeile angeschlossen.
In nur acht Semestern bewältigt die ehrgeizige Studentin schließlich ihr Studium und schafft sogar den Freischuss. Nur 0,3 Punkte fehlen ihr zum Prädikat. Auf den zweiten Versuch verzichtet sie dennoch, des Aufwands wegen. Denn Pamela Pabst hatte nach dem Examen nur einen Wunsch: Endlich in ihrem Traumberuf als Strafverteidigerin arbeiten zu können – was ihr, trotz aller Hindernisse, bis heute mit Bravour gelungen ist.
Pamela Pabst – Ich sehe das, was ihr nicht seht. Eine blinde Strafverteidigerin geht ihren Weg Hanser Verlag Berlin 2014
224 Seiten, 17,90 Euro
ISBN-10: 3446245057