Wissen vom Unbewussten

Justament-Autorin Martina Weber in der Anthologie „Kasinostraße 3“

Marc Nüßen

cover-kasinostr„Sprache“ und „Strafe“ liegen klanglich nah beieinander. In den Erstversuchen neuer Autoren werden sie für den Leser oft zum Synonym. Auch wer hiervon bereits traumatisiert wurde, darf unbesorgt zur Anthologie „Kasinostraße 3“ der Darmstädter Textwerkstatt greifen.
Die Aufnahmekriterien für diesen von Kurt Drawert geleiteten Zirkel müssen streng sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich in den vergangenen 15 Jahren eine Sammlung von Texten so hoher Qualität und Dichte gefunden hat.
Die Texte in ihrer Gesamtheit zu beschreiben, ist kaum möglich. Allen gemeinsam ist aber, dass sie sich eine Freiheit nehmen, die gar nicht keck oder unverschämt daherkommt, sondern selbstverständlich ist. Wer, wenn nicht der Autor soll bestimmen, was zulässig, was richtig und wichtig ist? Davon leben die Kurzgeschichten wie „Nichts Neues“ von Andreas Lehmann oder „Großer Bruder“ von Maria Knissel.
Noch radikaler geht es im Lyrik-Teil der Sammlung zu. Zugleich ist der Gehalt beeindruckend. Kein „Wir schreiben´s untereinander und sagen Gedicht dazu“, kein Konstantin-Wecker-Pathos. Die Autoren  wissen, was sie tun und sie tun es gut. „Die Worte die gesprochen werden wollen“ von Özlem Özgul Dündar kommt im verkürzten Palandt-Stil daher und ist zugleich reicher als vier Seiten Volltext hätten sein können. Armin Steigenberger demaskiert die Leere hinter dem Neusprech (vgl. Battery Park“) und lässt einen verwundert zurück, wie viel von diesen schrecklichen Wörtern man wie selbstverständlich versteht. Auch Justament-Autorin Martina Weber ist mit wohlgewählten Beispielen für ihre analytisch-kühle Existentialpoesie vertreten.
Wer dieses Buch gelesen hat, kann kein Kulturpessimist mehr sein.

Kurt Drawert (Hrsg.)
„Kasinostraße 3 – 15 Jahre Darmstädter Textwerkstatt“
Poetenladen Verlag, 2014
256 Seiten, 15,80 Euro
ISBN 978-3-940691-50-7

Veröffentlicht von on Mrz 17th, 2014 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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